"Ich bedauere, dass der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben hat, um ihn für gleichgeschlechtliche Partnerschaften passend zu machen", erklärte der Familienbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Heiner Koch, am Freitag in Bonn. Es sei traurig, dass das Rechtsinstitut Ehe in das Räderwerk politischen Taktierens geraten sei. Die Kirche werde nun verstärkt für das katholische Verständnis der Ehe als Sakrament werben. Es bleibe von der Entscheidung unberührt.
Mit dem Bundestagsbeschluss werde "eine differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Partnerschaftsformen aufgegeben", sagte der Berliner Erzbischof. Differenzierung sei keine Diskriminierung. "Eine Wertschätzung gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens kann auch durch eine andere institutionelle Ausgestaltung ausgedrückt werden. Sie muss nicht in der Öffnung des Rechtsinstituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Erscheinung treten."
"Schützen und stärken"
Koch betonte, die Väter des Grundgesetzes hätten der Ehe einen so herausragenden Platz in der Verfassung gegeben, weil sie "diejenigen schützen und stärken wollten, die als Mutter und Vater ihren Kindern das Leben schenken wollen". Wenn jetzt vor allem der Schutz von Beziehungen und die Übernahme gemeinsamer Verantwortung als Begründung für die Öffnung der Ehe vorgebracht würden, so "bedeutet dies eine wesentliche inhaltliche Umgewichtung und eine Verwässerung des klassischen Ehebegriffs".
Koch betonte, eine Diskussion um die Stärkung und Förderung der vielfältigen Verantwortungsgemeinschaften in der Gesellschaft sei nötig. Wenn der Staat verbindliche Gemeinschaften wirklich stärken wolle, müsse er aber etwa in der Ehe- und Familienpolitik deutliche Akzente setzen, anstatt "die Gestaltungsräume der Eheleute zu beschneiden, wie etwa durch die in einigen Wahlprogrammen geforderte Aufhebung des Ehegattensplittings."
Überhöhtes Tempo der Diskussion
Auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat die Bundestagsentscheidung zur "Ehe für alle" kritisiert. "Das überhohe Tempo in dieser Woche ist der grundsätzlichen Bedeutung des Themas nicht angemessen", sagte er am Freitag in Hamburg. "Ich bedaure es, dass unser Eheverständnis und die staatliche Interpretation der Ehe sich weiter voneinander entfernen." Für die katholische Kirche sei die Ehe die Liebes- und Lebensbeziehung zwischen Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen können.
"Auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen werden wichtige Werte verwirklicht", so der Erzbischof weiter. "Aber letztlich war und ist die Unterscheidung zwischen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und der Ehe sinnvoll."
Die evangelische Kirche warb für gesellschaftliche Versöhnung. "Ich wünsche mir, dass jetzt weder Triumphgefühle auf der einen Seite noch Bitterkeit auf der anderen Seite den Ton angeben", erklärte der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am Freitag auf Facebook. Es müsse ein "neues Bewusstsein für das wunderbare Angebot der Ehe, in lebenslanger Treue und Verbindlichkeit miteinander leben zu dürfen" geschaffen werden.
Abstimmung und Debatte
Bei der Bundestagsabstimmung zur "Ehe für alle" haben auch 75 Abgeordnete der Union für den Gesetzentwurf gestimmt bei 225 Gegenstimmen von CDU und CSU. Wie der Bundestag am Freitag nach der Entscheidung bekanntgab, gaben 623 Abgeordnete ihre Stimme ab, vier enthielten sich und 7 nahmen nicht an der Abstimmung teil. Bei der namentlichen Abstimmung votierten insgesamt 393 Abgeordnete für und 226 gegen die Öffnung der Ehe. Die Abgeordneten waren vom Fraktionszwang entbunden und somit ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet. Die Abgeordneten der SPD, Linken und Grünen stimmten geschlossen für eine Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule, bei jeweils einer nicht abgegebenen Stimme von SPD und Linken. Die vier Enthaltungen gab es bei der Unionsfraktion, von der auch fünf Parlamentarier ihre Stimme nicht abgaben.
In einer emotionalen Debatte hat der Bundestag am Freitag in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause über die "Ehe für alle" debattiert. SPD, Grüne und Linke hatten in dieser Woche durchgesetzt, dass das Dauerstreitthema dieser Wahlperiode noch einmal auf die Tagesordnung kommt und abgestimmt wird. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, nannte die geplante "Ehe für alle" einen "wichtigen gesellschaftspolitischen Fortschritt". Angesichts die Durchsetzung der Abstimmung gegen den Willen des Koalitionspartners Union sagte er, dies sei "wahrscheinlich nicht gut für die Koalition, aber gut für die Menschen".
Nein von Merkel
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte mit Nein. Sie hat ihre Ablehnung des Gesetzentwurfs zur "Ehe für alle" mit dem besonderen Schutz der Ehe durch Artikel 6 des Grundgesetzes begründet. Die Ehe werde dort als Verbindung von Mann und Frau verstanden, sagte Merkel am Freitag im Anschluss an die Abstimmung im Bundestag vor Journalisten. Sie erhoffe sich nun nicht nur gegenseitigen Respekt, sondern auch, dass mit der Entscheidung mehr gesellschaftlicher Frieden und Zusammenhalt geschaffen werde. Zur Frage der Volladoption erklärte sie, dass dies auch gleichgeschlechtlichen Paaren möglich sein solle und nach ihrer Überzeugung nicht im Widerspruch zum Kindeswohl stehe. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) bekräftigte seine Ablehnung der "Ehe für alle". Die grundgesetzlich geschützte Ehe sei für ihn die Verbindung zwischen Mann und Frau. Es gehe nicht um eine Entscheidung darüber, ob Paare gleichen Geschlechts diskriminiert werden. Das sei längst entschieden mit der Lebenspartnerschaft.
Respekt für Befürworter und Kritiker
Zugleich forderte Kauder Respekt für Befürworter und Kritiker der Öffnung der Ehe. Die Unionsfraktion hat ihren Abgeordneten keine Empfehlung für die Abstimmung gegeben. Sie sollen frei nach ihrem Gewissen abstimmen.
Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck widersprach Kauder: "Alles andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung." Komme es zur "Ehe für alle", sei das "ein historischer Tag für unsere Minderheit", sagte der schwule Politiker, der allen voran in dieser Wahlperiode für die Gleichstellung homosexueller Paare gestritten hatte. Nach der Bundestagswahl wird er dem Parlament nicht mehr angehören. Er hielt sichtlich bewegt am Freitag seine letzte Rede im Parlament zu diesem Thema.
Ihre letzte Rede vor dem Plenum hielt auch die fraktionslose, aus Protest gegen die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus der CDU ausgetretene Politikerin Erika Steinbach. Sie nutzte dies auch für einen Angriff auf die Regierungschefin, die Anfang der Woche die Gewissensentscheidung über die "Ehe für alle" in Aussicht gestellt hatte. Sie sei es gewesen, die die Tür für die Entscheidung "sperrangelweit geöffnet" hat. Steinbach selbst kündigte an, gegen die Öffnung der Ehe zu stimmen.
Sternberg rechnet mit Verfassungsklage zur "Ehe für alle"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, rechnet unterdessen mit einer Verfassungsklage zur "Ehe für alle". Das vom Bundestag beschlossene Gesetz sei von einer "erschreckenden Schlichtheit", die noch "Folgen vor dem Bundesverfassungsgericht" haben werde, sagte er am Freitag in Münster. Das Gesetz klinge harmlos, werde aber so harmlos im Endeffekt nicht sein.
Im Übrigen werde die Institution Ehe nicht dadurch bedroht, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gleichgestellt würden, so der ZdK-Präsident. Vielmehr schade der Ehe, dass anscheinend eine Mehrheit in der Gesellschaft sie nicht mehr als Lebensform einer lebenslangen Verantwortungsgemeinschaft ansehe.