Eine Chronologie der Entwicklungen zur rechtlichen Gleichstellung

Bundestag beschließt "Ehe für alle"

Der Bundestag hat am Freitag nach emotionaler Debatte die "Ehe für alle" beschlossen. Wichtige Daten zur rechtlichen Gleichstellung Homosexueller in Deutschland im Überblick.

Richterhammer / © Uli Deck (dpa)
Richterhammer / © Uli Deck ( dpa )

1872: Der Paragraf 175 des neuen deutschen Reichsstrafgesetzbuches stellt sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe.

1935: Die Nationalsozialisten verschärfen Paragraf 175, unter anderem durch Anhebung der Höchststrafe auf fünf Jahre Gefängnis. Darüber hinaus wird der Tatbestand von "beischlafähnlichen" auf sämtliche "unzüchtigen" Handlungen ausgeweitet. Für "erschwerte Fälle" wird die Strafe noch erhöht - auf bis zu zehn Jahre Zuchthaus. Die Kastration von Homosexuellen wird durch Gesetze über die "Verhütung erbkranken Nachwuchses" ermöglicht.

1950: Die DDR kehrt zur alten Fassung des Paragrafen 175 zurück. Ab Ende der 50er Jahre wird Homosexualität unter Erwachsenen aber nicht mehr verfolgt.

1957: Das Bundesverfassungsgericht erklärt die aus der NS-Zeit stammende Version des Paragrafen 175 für verfassungskonform. Homosexueller Geschlechtsverkehr bleibt in der Bundesrepublik verboten.

1968: Die DDR gibt sich ein eigenes Strafrecht. In Paragraf 151 werden nur noch homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen unter Strafe gestellt.

1969: Im Zuge einer Liberalisierung der Gesetzgebung sind einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen in der Bundesrepublik nicht mehr strafbar.

1979: In Bremen und Berlin finden die ersten Christopher Street Days statt, bei denen gegen die Diskriminerung Homosexueller demonstriert wird.

1992: In der "Aktion Standesamt" beantragen etwa 250 lesbische und schwule Paare in rund hundert Gemeinden in ganz Deutschland das Aufgebot. Bei Ablehnung klagen sie.

1993: Das Bundesverfassungsgericht verneint einen Anspruch gleichgeschlechtlicher Paare auf Eheschließung, hält aber die rechtliche Absicherung homosexueller Partnerschaften für klärungsbedürftig.

1994: Im Zuge der Wiedervereinigung wird der Paragraf 175 für ganz Deutschland ersatzlos aufgehoben.

2001: Die rot-grüne Regierungskoalition führt die eingetragene Lebenspartnerschaft ein. Mit ihr können Personen gleichen Geschlechts ihrer Beziehung einen rechtlichen Rahmen geben.

2002: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt das Gesetz. Es verstoße nicht gegen den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie.

2005: Das "Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts" tritt in Kraft. Mit den Neuregelungen wird das Lebenspartnerschaftsrecht weitgehend an das Eherecht angeglichen. Das gilt insbesondere für die Übernahme des ehelichen Güterrechts, eine weitgehende Angleichung des Unterhaltsrechts, die Zulassung der Stiefkindadoption, die Einführung des Versorgungsausgleichs und die Einbeziehung der Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung.

2006: Das neue Antidiskriminierungsgesetz verbietet unter anderem Diskriminierungen wegen sexueller Orientierung im Arbeitsrecht.

2009: Das Bundesverfassungsgericht erklärt eine Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der Hinterbliebenenrente des öffentlichen Dienstes für verfassungswidrig.

2010: Karlsruhe entscheidet, dass homosexuelle Lebenspartner bei der Erbschaftsteuer nicht gegenüber Ehepaaren benachteiligt werden dürfen.

2012: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass homosexuelle Paare bei der Grunderwerbssteuer nicht benachteiligt werden dürfen.

2013: Sogenannte Homo-Ehen müssen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch vom Ehegattensplittung profitieren können.

2013: Nach der Bundestagswahl 2013 kann die SPD gegenüber der Union in den Koalitionsverhandlungen weder die Öffnung der Ehe noch die rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe durchsetzen. Die Koalitionspartner sprechen sich aber allgemein gegen eine Diskriminierung Homosexueller aus.

2014: Für homosexuelle Lebenspartner wird nach einem neuen Gesetz auch die Sukzessivadoption zugelassen. Durften Lebenspartner seit

2005: lediglich die leiblichen Kinder des Partners adoptieren, so können sie seitdem auch die adoptierten Kinder des Partners adoptieren.

2015: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) spricht sich für eine Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften aus. Die Deutsche Bischofskonferenz weist den Vorschlag zurück.

Juni 2017: Erstmals setzt sich in Schleswig-Holstein eine CDU-geführte Landesregierung ausdrücklich für eine Ehe für homosexuelle Paare ein.

Juni 2017: Auch in der katholischen Kirche geht die Debatte weiter. Der Familienbischof der Bischofskonferenz, der Berliner Erzbischof Heiner Koch, betont, eine "Ehe für alle" wäre ein Bruch mit einem Jahrhunderte alten Eheverständnis und würde eine qualitative Neuausrichtung des Begriffs Ehe bedeuten. Er wendet sich damit gegen Äußerungen der neuen Vorsitzenden der katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Mechthild Heil. Sie hatte zuvor erklärt, gesetzlich seien Ehe und die gleichgeschlechtliche Partnerschaft fast gleichgestellt. "Wir streiten uns jetzt nur noch über den Begriff."

Juni 2017: SPD, Grüne und Linke machen die Gleichstellung Homosexueller bei der Ehe zur Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung im Bund nach der Bundestagswahl. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht sich daraufhin für eine Abstimmung im Bundestag ohne sogenannten Fraktionszwang aus. SPD und Opposition nutzen diese Aussage, um das Thema sofort auf die Tagesordnung des Bundestags zu setzen.


Quelle:
KNA