domradio.de: Wie beobachten Sie diesen Friedensmarsch der Imame?
Dr. Thomas Lemmen (Referat Dialog und Verkündigung im Erzbistum Köln): Der ist sehr wichtig, denn wir leben in einer Zeit der Bilder. Es kommen zurzeit sehr viele negative Bilder mit dem Thema Islam auf. Wir brauchen deshalb die positiven Bilder, die es gibt. Es ist daher ganz wichtig, wenn Imame aus ganz Europa vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin stehen und sagen, dass sie für den Frieden demonstrieren und der Islam eine Religion des Friedens sei.
domradio.de: Auch deutsche Imame sollen da mitlaufen. Beispielsweise Mohamed Taha Sabri von der Berliner Dar-As-Salam-Moschee, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wie passt das denn mit dem Friedensmarsch zusammen?
Lemmen: Da gibt es sehr unterschiedliche Meinungen zu. Die einen halten ihn aufgrund personeller Bezüge der Moschee für den Exponenten einer extremistischen Organisation, der Muslimbruderschaft. Andere sehen in ihm einen überzeugten Vertreter für den Islam und die Demokratie. Er selbst hat für letzteres auch nach meinem Empfinden sehr viele glaubwürdige Zeichen gesetzt. Er scheut auch in der Moschee keine kontroversen Diskussionen mit Menschen, die nicht seiner Meinung sind.
domradio.de: Und wie stehen Sie dazu?
Lemmen: Ich halte ihn für einen sehr bemerkenswerten Repräsentanten des Islams und finde es gut, dass er dieses Ereignis unterstützt, denn seine Moschee ist eine der großen Moscheen in Berlin.
domradio.de: Welche großen Verbände unterstützen denn überhaupt diesen Lauf der Imame?
Lemmen: Leider stehen weder in Frankreich noch in Deutschland die großen Islamorganisationen dahinter. Allein der Zentralrat der Muslime in Deutschland – eine der großen Organisationen – hat sich dahinter gestellt. Aber die anderen, vor allem die türkischen Organisationen, stehen genauso wenig dahinter wie die großen arabischstämmigen Organisationen in Frankreich.
domradio.de: Haben Sie eine Ahnung, woran das liegen kann?
Lemmen: Das hat sicherlich damit zu tun, dass die Initiatoren dieses Prozesses Personen sind, die sehr markante Persönlichkeiten sind und denen man dann vorwirft, sie seien zu liberal und zu fortschrittlich. Der Initiator des französischen Marsches hat beispielsweise gute Kontakte zur jüdischen Gemeinde und ein Vertreter dieser jüdischen Gemeinde hat das Ganze mit unterstützt. Das bringt natürlich manche arabischstämmige Vertreter angesichts der Israel-Palästina-Problematik auf die Barrikaden. Da gibt es auch eine Parallele zu Deutschland, wo der Liberal-Islamische Bund einen Friedensmarsch in den vergangenen Wochen in Köln initiiert hat. Das war und ist für manche Vertreter von Islamverbänden ein rotes Tuch.
domradio.de: Bei der von Ihnen erwähnten Kundgebung in Köln waren ja bis zu 10.000 Teilnehmer erwartet worden und letztendlich waren es weniger als 1.000. In Berlin vor zwei Wochen war die Resonanz ähnlich. Woran liegt es denn, dass so wenig Muslime auf die Straße gehen, wenn es heißt man wolle ein Zeichen gegen den Terror setzen?
Lemmen: Ich glaube, dass die großen türkischen Verbände momentan mehr mit sich und der türkischen Innenpolitik beschäftigt sind. Es kreisen viele Gedanken darum, wie es in der Türkei weitergeht. Nun nähert sich auch der Jahrestag des türkischen Putschversuches, so dass sie leider mit diesem Thema stärker beschäftigt sind. Zum anderen haben es aber auch die Initiatoren des Kölner Marsches beispielsweise versäumt, das Ziel in einem Diskurs und Dialog mit den Verbänden auf den Weg zu bringen.
domradio.de: Wie genau?
Lemmen: Die Initiative ist verkündet worden und dann hat man das Gespräch mit den Verbänden gesucht. Umgekehrt wäre es schlauer gewesen. Aber insgesamt muss man sagen, dass sich die Verbände leider weder in Frankreich noch in Deutschland diese Initiative zu Eigen gemacht haben, weil ihnen die Initiatoren anscheinend nicht passen. Ich finde, da sollten beide Seiten der Sache willen über ihren Schatten springen.
Das Interview führte Silvia Ochlast.