Es gibt Brücken in Deutschland, die ächzen unter der Last der Liebesschlösser: In Frankfurt führt der erste Weg eines frischvermählten Paares vom Trauzimmer im Rathaus Römer auf den Eisernen Steg oder den Holbeinsteg. Dort befestigen die Liebenden ein Schloss am Brückengeländer. Auch die Kölner Hohenzollernbrücke muss wegen der vielen Liebesschlösser mehr als 22 Tonnen Gewicht zusätzlich tragen. Zum Ritual gehört es, den Schlüssel ins Wasser zu werfen - als Zeichen dafür, dass diese Beziehung nie auseinander geht.
Reinhold Zahn vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden weiß es allerdings besser. Jahr für Jahr verkünden er und seine Kollegen die Zahl der Ehescheidungen in Deutschland. Nach wie vor wird rund jede dritte Ehe geschieden; allerdings gibt es seit Jahren einen Trend zu mehr Stabilität der Beziehungen. Nach den am Dienstag veröffentlichten Zahlen ist die Zahl der Ehescheidungen in Deutschland 2016 erneut um 0,6 Prozent gesunken.
Ehen in Zahlen
162.397 Ehen endeten vor dem Richter, 1.000 weniger als im Vorjahr - das ist die niedrigste Zahl seit 1994. Dabei ist die Zahl der Ehen - trotz eingetragener Lebenspartnerschaften und in anderen Beziehungen lebender Paare - zuletzt leicht gestiegen: Ende 2015 lebten 35,9 Millionen Bundesbürger oder fast 18 Millionen Paare in einer Ehe.
Der Blick auf die vergangenen 25 Jahre belegt ein Auf und Ab bei den Scheidungszahlen. Kurz nach der Wende gab es - möglicherweise auch wegen der wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten - deutlich geringere Zahlen: 1990 wurden 154.700, in den beiden Folgejahren 136.000 beziehungsweise 135.000 Ehen geschieden. Höchstwerte gab es dagegen um die Jahrtausendwende: 2003 endeten rund 214.000 Ehen vor Gericht - 42,4 Prozent der Ehen scheiterten.
Inzwischen hat sich dieser Wert wieder normalisiert: Derzeit werden etwa 34,6 Prozent aller in einem Jahr geschlossenen Ehen im Laufe der kommenden 25 Jahre geschieden. Zugleich halten die Ehen länger - auch das ein langjähriger Trend. Die 2016 geschiedenen Ehen haben im Durchschnitt etwa 15 Ehejahre bestanden; 2015 waren es noch 14,9 Jahre. Für die 1990 Geschiedenen war die durchschnittliche Ehedauer noch dreieinhalb Jahre kürzer gewesen (11,5 Jahre).
Das verfilxte siebte Jahr
Vom "verflixten siebten Ehejahr" kann nach Angaben der Statistiker schon seit zehn Jahren nicht mehr die Rede sein. Seit 2008 wird der größte Anteil der Ehen nach sechs Jahren geschieden. 2016 lag die Zahl der Scheidungen nach sechs Jahren Ehedauer bei gut 8.600, was 5,3 Prozent aller Scheidungen in diesem Jahr entspricht. Da der Scheidung im Regelfall auch noch mindestens ein Trennungsjahr vorausgeht, hat das Sprichwort mittlerweile ausgedient.
Aber auch weitaus länger andauernde Ehen halten nicht immer ewig: In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Zahl der Ehescheidungen nach einer Ehedauer von 26 und mehr Jahren von 12.500 (1991) auf 25.300 verdoppelt. "Die gesellschaftlichen Entwicklungen, wie zum Beispiel die zunehmende finanzielle Unabhängigkeit von Frauen, dürften zu diesem Ergebnis beitragen", vermuten die Statistiker.
Frau vor Mann
Seit 1990 ist der Altersdurchschnitt der Geschiedenen - auch als Folge des späteren Heiratens - um fast acht Jahre angestiegen: für Männer auf 46,6 Jahre und für Frauen auf 43,6 Jahre. Von der Trennung ihrer Eltern waren 2016 rund 132.000 Kinder und Jugendliche betroffen. Mehr als jedes zweite geschiedene Paar hatte minderjährige Kinder.
Weiterhin ziehen Frauen schneller einen Schlussstrich unter ihre Beziehung: Sie stellten bei den 2016 geschiedenen Ehen in 51,3 Prozent der Fälle den Scheidungsantrag. Die Männer reichten nur in 40,9 Prozent der Fälle den Antrag ein, ansonsten beantragten beide Ehegatten gemeinsam die Scheidung.