Freilassung von Menschenrechtlern in der Türkei gefordert

Frostige Zeiten

Deutschland erhöht den Druck auf die Türkei. Nach der Anordnung von Untersuchungshaft für sechs Menschenrechtler fordert die Bundesregierung ihre Freilassung. Den Vorwurf der Terrorunterstützung hält sie für abwegig.

Frostige Zeiten im deutsch-türkischen Verhältnis / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Frostige Zeiten im deutsch-türkischen Verhältnis / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

Die Bundesregierung hat die Inhaftierung des Deutschen Peter Steudtner und von fünf weiteren Menschenrechtsaktivisten in der Türkei verurteilt. "Einen Streiter und Sprecher für die Menschenrechte und Demokratie, wie es Peter Steudtner in seiner Arbeit ist, in die Nähe der Unterstützer von Terroristen zu stellen, ist abwegig", erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Dienstag in Berlin. "Wir fordern, dass er schnell aus der Haft entlassen wird", sagte die Sprecherin.

Untersuchungshaft für sechs Aktivisten

Die türkischen Behörden hatten am Dienstag Untersuchungshaft für die sechs Menschenrechtsaktivisten angeordnet. Neben Steudtner ist auch die türkische Direktorin von Amnesty International, Idil Eser, unter den Inhaftierten. Die türkischen Behörden werfen den Aktivisten die "Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation" vor.

Den Angaben zufolge befindet sich Taner Kilic, der Vorsitzende von Amnesty International in der Türkei, bereits im Gefängnis. "Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen leisten einen unschätzbar wichtigen Beitrag zu Pluralität, Demokratie und Wahrung der Menschenrechte in der Türkei", betonte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes.

Wie aus einer Antwort des Ministeriums hervorgeht, sind seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 22 Deutsche in der Türkei festgenommen worden. Neun befinden sich noch immer in Haft. Die Antwort geht auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu zurück, die dem epd vorliegt. Die "Bild"-Zeitung (Dienstag) hatte zuvor darüber berichtet.

"Eskalationsstufe im deutsch-türkischen Verhältnis"

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann bezeichnete die Untersuchungshaft für die Menschenrechtsaktivisten als "eine weitere Eskalationsstufe im deutsch-türkischen Verhältnis". Auch für den menschenrechtspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagfraktion, Michael Brand (CDU), ist der Vorwurf der Terrorunterstützung absurd.

"Die Strafverfolgung ist eindeutig politisch motiviert", sagte Brand dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die inhaftierten Menschenrechtler sind in Wahrheit ebenso politische Geiseln wie die inhaftierten Journalisten."

Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen forderte das Auswärtige Amt auf, eine Reisewarnung für die Türkei auszusprechen. Die Bundesregierung müsse sich für den sofortigen Stopp der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara einsetzen. Ähnlich äußerte sich die Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth (Grüne). "Wir dürfen diese ausufernde staatliche Repression in der Türkei nicht länger hinnehmen oder sogar zur Normalität verklären."

Der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty, zeigte sich bestürzt über die Entwicklung. "Heute mussten wir erkennen, dass der Einsatz für die Menschenrechte in der Türkei zu einem Verbrechen erklärt wurde", sagte er. Es handele sich nicht um eine legitime Untersuchung, sondern um eine Hexenjagd, die auf eine beängstigende Zukunft für die Grundrechte in der Türkei hindeute.

Appell der evangelischen Kirche

Am 5. Juli hatte die Polizei auf einer Insel vor Istanbul insgesamt zehn Aktivisten bei einem Amnesty-Workshop zu Informationsmanagement und Umgang mit Trauma und Stress festgenommen. Vier von ihnen wurden am Dienstag gegen Kaution freigelassen. In der Türkei können Beschuldigte bis zu fünf Jahre lang in Untersuchungshaft festgehalten werden. Steudtner wird derzeit vom Generalkonsulat Istanbul konsularisch betreut.

Der IT-Experte gehörte gemeinsam mit dem Schweden Ali Gharawi zu einem Team der niederländischen Entwicklungsorganisation HIVOS. Freunde und Angehörige zeigten sich schockiert über die Entscheidung der türkischen Behörden und forderten Steudtners Freilassung.

Unterstützt wurde der Appell vom Friedensbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms. "Dies ist augenscheinlich der Versuch der türkischen Regierung, die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen im Land zu unterdrücken", sagte er. Steudtner ist unter anderem für das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" tätig.


Quelle:
epd
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