domradio.de: Wie überraschend war es denn für Sie, dass der Papst sie zum Präsidenten seiner wissenschaftlichen Akademie ernannt hat?
Joachim von Braun (Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften): Schon ziemlich überraschend. Ich bin erst seit fünf Jahren Mitglied der Akademie des Vatikans und hab mich natürlich über diese ehrenvolle Ernennung gefreut.
domradio.de: Wie wird man denn Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften?
Braun: Dem Papst werden einige Namen vorgelegt und er kreuzt an.
domradio.de: Sie sind also angekreuzt worden und das obwohl sie evangelisch sind. Ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich?
Braun: Ich persönlich finde das nicht ungewöhnlich. Denn die Wissenschaft, die Akademie des Vatikans arbeitet unabhängig von Religion und Konfession. Die Mitglieder der Akademie werden auch vom Papst ausgewählt. Nachdem sie von den Mitgliedern auf eine Vorschlagsliste gesetzt worden sind, stimmen sie geheim ab und legen dann ihre Vorschläge dem Papst vor. Und er hat die letztendliche Entscheidung. So funktioniert das System.
domradio.de: Spielt denn der Glaube in irgendeiner Form eine Rolle für dieses Amt? Auch wenn Sie als Wissenschaftler arbeiten?
Braun: Letztendlich schon, auch wenn es erklärte Atheisten in der Akademie gibt, hochkarätige Wissenschaftler, die nicht an Gott glauben. Akademiker aus Asien, die der japanischen, chinesischen Kultur verhaftet sind. Für sie spielt vielleicht nicht der Glaube, so doch die Ethik eine wichtige Rolle. Ich glaube, das ist hervorzuheben. Die päpstliche Akademie zeichnet sich dadurch aus, dass sie einerseits eine normale, der wissenschaftlichen Wahrheit verpflichtete Einrichtung ist. Andererseits ist sie aber auch eine Institution mit einer gehörigen Portion ethischer Aspekte, die bei der Auswahl von Themen und im wissenschaftlichen Diskurs relevant sind.
domradio.de: Das heißt, man kann auch davon ausgehen, dass der Papst, wenn er Enzykliken verfasst, sich Rat von Fachleuten holt? Unabhängig von ihrer Religion?
Braun: Ja, davon können Sie ausgehen. Es ist auch klar dokumentiert. Wenn Sie sich zum Beispiel das erste Kapitel von "Laudato si" anschauen, ist dort zu lesen, dass dies der Stand der Wissenschaft zu Klimawandel, zur Umweltzerstörung, zu Armut, zur Ungleichheit ist. Da hat unsere Akademie beispielsweise in Form von Anhörung eine signifikante Rolle gespielt. Ihre Ergebnisse wurden dem Umfeld des Papstes und ihm selbst übermittelt. Allerdings, wenn es dann zu den religiösen Urteilen kommt, ist das die Sache des Papstes und nicht der Akademie. Dazu schreibt die Akademie dann keine Vorschläge auf. Da wird innerhalb des Vatikans zwar der Dialog zwischen Wissenschaft und Religion gepflegt, aber es wird nicht beides miteinander weit vermischt.
domradio.de: Treffen Sie den Papst überhaupt persönlich bei Ihrer Arbeit?
Braun: Das läuft formeller, über unser Sekretariat. Wir hatten zum Beispiel im November eine lange Anhörung, eine Audienz, nur die Akademisten mit seiner Heiligkeit. Er hat eine längere Rede gehalten. Der damalige Präsident - das wird in Zukunft dann meine Rolle sein - hat ihm unsere Vorschläge vorgetragen, die aus einer Tagung erwachsen sind. Und dann schlossen sich ein kurzer Dialog und kurze persönliche Gespräche an. Das hat schon eine klare Struktur.
domradio.de: Über "Laudato si" haben wir gesprochen. Was sind die nächsten großen Projekte, die die Päpstliche Akademie der Wissenschaften bearbeitet?
Braun: Nach wie vor beschäftigen wir uns sehr mit der Digitalisierung von Roboter und Mensch, mit Fragen zum Klimawandel und zur Gesundheit. Aber auch damit, wie alle Menschen, insbesondere auch Menschen in Armut, Zugang zur Digitaltechnik bekommen können, damit die Ungleichheit auf dieser Basis, insbesondere von Menschen in Afrika, Lateinamerika und Asien nicht weiter zunimmt. Denn Digitalisierung bietet für die Überwindung von Armut auch Chancen. Wie kann man das bewerkstelligen und welche Risiken bestehen dabei? Das ist eines der Themen der nächsten Sitzung.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.