Warum ist der Tempelberg so wichtig?
Der Tempelberg ist der historische Standort des zentralen Heiligtums Israels: Auf der 14 Hektar großen Stätte stand bis zu seiner Zerstörung durch die Römer der jüdische Tempel. Außerdem ist der Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee seit über einem Jahrtausend die drittheiligste Stätte des Islam.
Mit zahlreichen mythischen sowie biblischen Traditionen und Legenden ist der Tempelberg, arabisch «Haram al-Scharif» (edles Heiligtum), ein religiös aufgeladener Ort und eine Juden und Muslimen, aber auch Christen wichtige Heilige Stätte. Volkstümliche Legenden verorten hier unter anderem die - nach den Bibeltexten nicht lokalisierbare - Erschaffung Adams und Evas sowie die sogenannte Opferung Isaaks. Nach koranischer Überlieferung trat der Prophet Mohammed von der Stelle des Felsendoms aus seine nächtliche Himmelsreise an.
Die heutigen Mauern des "Haram al-Scharif" entsprechen in ihren Ausmaßen der Umfassungsmauer des von Herodes erbauten zweiten Tempels. Ihre auch als Klagemauer bezeichneten westlichen Reste sind die wichtigste Gebetsstätte des Judentums. Über den Ruinen einer von Kaiser Justinian erbauten Kirche wurde die heutige Al-Aksa-Moschee errichtet, deren Name "die Entfernteste" sich auf die Koran-Sure über Mohammeds Himmelfahrt von Mekka zum "entfernteren Heiligtum" in Jerusalem bezieht. Nach Mekka und der Grabmoschee Mohammeds in Medina ist sie die drittwichtigste Kultstätte des Islam.
Welche Bedeutung hat der Tempelberg für Christen?
Das Neue Testament berichtet mehrfach von Jesus im Tempel. Der Tempelberg wird damit zu einer der von Jesus besuchten Stellen, die sich anders als andere biblische Stätten mit unsicherer Identifikation zweifelsfrei lokalisieren lässt. Es ist demnach der Ort, an dem Jesus die Tische der Wechsler umstieß und Petrus einen Lahmen heilte. Eine besondere Bedeutung innerhalb der christlichen Gruppen hat der Tempelberg für viele oft Israel nahestehende evangelikale Christen, die wie nationalreligiös-jüdischen Gruppen über die Einschränkung der Gebetsfreiheit an der Stätte klagen.
Wer darf auf dem Tempelberg was?
Seit einem Friedensabkommen zwischen Israel und Jordanien von 1994 liegt die Verwaltung des Haram al-Scharif in den Händen der islamischen Wakf-Behörde mit Jordanien als Verwalter, das sich als Hüter der muslimischen Heiligen Stätten in Jerusalem versteht. Bis
1996 gab es eine Kooperation zwischen Jordanien, der Wakf-Behörde und Israel in Fragen des Zugangs von Nichtmuslimen, des Unterhalts der Stätten und der Bautätigkeiten. Die archäologische Zusammenarbeit kollabierte 1996, als Israel das Nordende des Westmauertunnels öffnete. Mit der zweiten Intifada im Jahr 2000 wurden alle anderen Kooperationen eingestellt. Der Zugang für Nichtmuslime wurde erst 2003 unilateral durch Israel wieder geöffnet. Seither agiert die israelische Polizei auch innerhalb des Areals.
Gegenwärtig dürfen Nichtmuslime den Tempelberg zu bestimmten Zeiten über das sogenannte Mughrabi-Tor oberhalb der Klagemauer betreten. Das öffentliche Gebet ist wie das Betreten des Felsendoms und der Al-Aksa-Moschee Muslimen vorbehalten.
Warum kommt es am Tempelberg immer wieder zu Spannungen?
Neben der hohen religiösen Bedeutung hat der Ort auch politisch einen hohen Symbolwert. Während international der völkerrechtliche Status Jerusalems ungeklärt ist und viele Staaten die israelische Souveränität über den Osten der Stadt nicht anerkennen, ist Jerusalem für Israel seit ihrer Eroberung 1967 «ewige und ungeteilte Hauptstadt» - einschließlich Altstadt, Klagemauer und Tempelberg.
Ein gegenwärtig im Parlament behandelter Entwurf will diese Einheit gesetzlich verankern: Eine Teilung der Stadt bei einem möglichen Friedensschluss mit den Palästinensern soll an eine (praktisch nicht zu erreichende) Zweidrittelmehrheit im Parlament gebunden werden. Die Palästinenser hingegen beanspruchen Ostjerusalem als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates und sehen in den israelischen Polizeieinsätzen einen Verstoß gegen internationales Recht.
Woran entzündete sich die jüngste Gewalt um den Tempelberg?
Am 14. Juli schossen drei arabische Israelis am Tempelberg auf israelische Grenzpolizisten. Zwei Polizisten starben, die Angreifer wurden auf der Flucht erschossen. Israel riegelte den Tempelberg für mehrere Tage für Besucher ab. Auch die muslimischen Freitagsgebete an der Heiligen Stätte wurden in einem seltenen Schritt abgesagt. Bei der schrittweisen Öffnung des Tempelbergs zunächst für Muslime und dann für nichtmuslimische Besucher verschärfte Israel die Sicherheitsmaßnahmen sowie Zugangskontrollen. Dies sorgte bei Muslimenvertretern und Palästinensern für scharfe Kritik, die jedoch nur vordergründig den Metalldetektoren und Überwachungskameras gilt.
Im Hintergrund steht der lange schwelende Konflikt über die Souveränität über die Heilige Stätte sowie über eine aus arabischer Sicht schrittweise Judaisierung Jerusalems durch die israelische Besatzungsmacht.