Kirchenexperte: Patriarch Kyrill I. wünscht keinen Papstbesuch

Eifersüchtig auf Franziskus?

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. wünscht sich nach Einschätzung des Moskauer Kirchenexperten Roman Lunkin keinen baldigen Russland-Besuch des Papstes. Franziskus sei ihm möglicherweise zu beliebt.

Papst Franziskus und Paptriarch Kyrill I. in Havanna (12.2.2016) (KNA)
Papst Franziskus und Paptriarch Kyrill I. in Havanna (12.2.2016) / ( KNA )

Dass der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. sich vermutlich keinen baldigen Russland-Besuch des Papstes wünscht, hänge mit seiner Eifersucht auf die hohe Beliebtheit von Franziskus in Russland zusammen. Das vermutet Roman Lunkin, der Direktor des Zentrums für Religionswissensschaften des Europainstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Patriarch Kyrill I. braucht keinen Moskau-Besuch des Papstes". Das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt könne von einem Auftritt des unter Russen angesehenen Franziskus in Moskau nicht profitieren.

Der Papst erreiche über die sozialen Netzwerke viele Russen und sei "beliebt, weil Franziskus offener, aufrichtiger und bescheidener wirkt als Kyrill I. mit seinem pathetischen Image voller politischer Botschaften", so Lunkin. Der Patriarch "könnte eifersüchtig werden, wenn Franziskus wirklich nach Moskau kommt". Trotzdem seien für Kyrill I. die Beziehungen zur katholischen Kirche gerade mit Blick auf die Ukraine "sehr wichtig".

Meilenstein: Franziskus und Kyrill in Havanna 2016

Seit der historischen ersten Begegnung von Franziskus und Kyrill I. in der kubanischen Hauptstadt Havanna im Februar 2016 gilt der Papst in Russland Lunkin zufolge als "Verbündeter der russisch-orthodoxen Kirche in der Ukraine". Angesichts der Gefahr, dass sich die ukrainisch-orthodoxe Kirche vom Moskauer Patriarchat abspalte, sei das enorm von Vorteil. Kyrill I. helfe die Aussage von Franziskus, dass die einzige kanonische Kirche die russisch-orthodoxe Kirche sei. Der Patriarch wolle zudem gemeinsam mit dem Papst die Christen im Nahen Osten schützen und zur Ausbildung von angehenden Priestern katholische Universitäten nutzen.

Bei Russlands Staatspräsident Wladimir Putin ist laut Lunkin die Interessenlage anders. "Putin will Papst Franziskus als geistigen Unterstützer für seine Politik, um der Welt zu sagen, er und sein Land verteidigten die Identität und die traditionellen Werte und dass Demokratie nicht so wichtig ist", so der Kirchenexperte. Der Vatikan und der Kreml stimmten in ihrem Protest gegen die Diskriminierung von Christen überein.

"Historisches Treffen": Parolin, Putin und Kyrill

Große Bedeutung habe das für die zweite August-Hälfte geplante Treffen der Nummer Zwei des Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, mit Putin und Kyrill I. in Moskau. "Das wird ein historischer Besuch, der die Zusammenarbeit in der Kultur und Bildung und im Nahen Osten nach dem Havanna-Treffen fortsetzt", so Lunkin.

"Parolins Reise kann auch als Vorbereitung weiterer Begegnungen der Kirchenoberhäupter und auch einer Russland-Reise des Papstes betrachtet werden." Es ist der erste Russland-Besuch eines Kardinalstaatssekretärs seit 1988 und zugleich der ranghöchste derzeit mögliche aus dem Vatikan.

Nach dem Ende des Kommunismus hatte der Heilige Stuhl in Moskau wieder eine Vertretung eröffnet. Unter Papst Benedikt XVI. (2005-2013) nahmen Russland und der Heilige Stuhl Ende 2009 volle diplomatische Beziehungen auf und beriefen 2010 offiziell Botschafter.


Quelle:
KNA