Pfarrer Böhme über die "gottlose Kirche" von Callenberg

"Eine Kirche wie eine vegane Wurst"

Eine Kirche ohne Kreuz und mit eingebautem DJ-Pult in der Kanzel. In Callenberg bei Zwickau wurde jetzt eine Kirche gebaut, die eine "Mogelpackung" ist, sagt Pfarrer Böhme vom Dekanat Zwickau im domradio.de-Interview.

Vivienne und Tino Taubert mit dem Modell ihrer Kirche, das fast fertige Original im Hintergrund / © Doreen Reinhard (privat)
Vivienne und Tino Taubert mit dem Modell ihrer Kirche, das fast fertige Original im Hintergrund / © Doreen Reinhard ( privat )

domradio.de: Hinter der Idee steckt ein Künstlerehepaar aus Callenberg. Die sagen, uns gefällt die Architektur, uns gefällt die Atmosphäre von einer Kirche, nur mit der Religion haben wir nichts am Hut. Wir wollen einfach diesen Raum nutzen. Was sagen Sie als katholischer Pfarrer vor Ort dazu?

Pfarrer Markus Böhme (Dekanat Zwickau, Bistum Dresden-Meißen): Für mich ist das alles ein bischen fragwürdig. Natürlich ist es zum einen ein Geschäftsmodell, das wurde auch ganz klar vor Ort gesagt. Aber ich wundere mich etwas über den Sinn des Ganzen. Warum baue ich eine Kirche, die ich nicht Kirche nenne? Bauen Sie ein Kraftfahrzeug, das aussieht wie ein Auto, vier Räder hat, ein Lenkrad, Getriebe, Motor, aber Sie nennen es nicht Auto. Da würde auch manche mit dem Kopf schütteln. Für mich ist das eine Art Mogelpackung. Es ist nicht drin, was von außen betrachtet vermittelt wird. Ich vergleiche das mit den glücklichen Kühen auf der Almwiese, die auf dem Tetra-Pack abgedruckt sind, aber wahrscheinlich nie eine solche Weide gesehen haben. Der Schein trügt. So steht es auch in einem Artikel der ZEIT. Menschen werden hier getäuscht.

domradio.de: Wenn man es objektiv betrachtet, ist es doch eigentlich konsequent. Es gibt viele Leute bei Ihnen in der Region, die wollen heiraten, wollen das an einem Ort tun, der traditionell ist und stellen sich dann eine Kirche vor, die mit der Religion aber eigentlich nichts zu tun hat. Dann ist es doch konsequent zu sagen, wir schaffen jetzt einen Raum, der sich genau an dieses Zielpublikum richtet, oder?

Böhme: Ja, aber letztlich ist es doch eine Mogelpackung. Einerseits möchte ich eine Art kirchlichen Raum zum Heiraten, zum anderen möchte ich das aber nicht. Für mich stellt sich dann auch die Frage, was für ein Ziel haben die Menschen die dahingehen. Es gibt ja auch viele andere Möglichkeiten eine Ehe zu schließen. Zum einen wollen sie das kirchliche Flair, was ja letztlich gar nicht da ist oder nur vom Gebäude her und zum anderen wollen Sie ganz bewusst keine Kirche. Das beißt sich für mich ein bisschen.

domradio.de: Was macht das denn mit Ihnen, als geweihter katholischer Pfarrer, wenn Sie das sehen? Es ist ja im gewissen Sinne eine christliche Symbolik, die nicht nur durch das Kreuz kommt, sondern auch durch das Gebäude oder die Glocken die da läuten. Was macht das mit Ihnen?

Böhme: Ich sehe darin jetzt nicht grundsätzlich eine Konkurrenz. Zu mir kommen bewusst Leute, die sagen, ich möchte vor Gott den Bund der Ehe schließen. Ich habe morgen zum Beispiel wieder eine Trauung und ich merke, wie wichtig den Menschen das ist, das Eheversprechen vor Gott und voreinander abzulegen und damit quasi Gott als Dritten ins Bott zu holen. Mich lässt das mit Fragen zurück, denn dort geht es vor allem um das Geschäft. Es geht dem Ehepaar dort nicht um Menschen, es geht um eine Geschäftslücke, es geht um Geldverdienen. Die Menschen werden in erster Linie nur als Kunden wertgeschätzt und irgendwann soll sich der Bau amortisieren. Es geht ihnen um Stimmung, um Illusion, um Gefühle. Für mich ist natürlich die Frage, wer möchte eines der größten Ereignisse, nämlich die Hochzeit, nur als große Illusion erleben.  Für mich bleiben viele Fragen zurück.

domradio.de: Ich versuche das einmal positiv zu drehen. Gibt es nicht vielleicht auch die Möglichkeit, dass Menschen, die in so einen Raum gehen und dort heiraten oder dort eine Familienfeier oder Weihnachtsfeier machen, Geschmack an der Kirche finden und eine Offenheit für die Religion entwickeln?

Böhme: Das glaube ich ehrlich gesagt eher weniger, weil richtige Kirchen etwas ganz anderes ausstrahlen. Sie strahlen Geschichte aus, Geschichte des Bauwerks natürlich aber auch die Geschichte von Menschen, die seit Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten in die Kirche kommen. Sie feiern dort ihr Leben mit und vor Gott und bringen dort ihre Nöte und Sorgen aber auch ihren Dank hin. Es gibt in katholischen Kirchen natürlich auch das Allerheiligste, das mich Jesus Christus begegnen lässt. Von daher hat eine richtige Kirche eine ganz andere Ausstrahlung, als eine – mit neudeutschen Worten gesagt – "Fake-Kirche". Das ist dort nicht zu finden und das ist auch nicht der Hintergrund oder der Zweck, Menschen dort irgendwo an Kirche oder Glauben heranzuführen. An Kirche heranführen können für mich nur Menschen, die vom Glauben und der Kirche wirklich begeistert sind.

domradio.de: Sie haben gerade schon das Beispiel mit den glücklichen Kühen gebracht. Wir haben das Thema gestern auf unserer domradio-Facebookseite relativ intensiv diskutiert und unsere Hörer bringen da oft das Bild der veganen Wurst. Trifft es das als Analogie?

Böhme: Auf alle Fälle. Es ist eine Mogelpackung. Mich erinnert das so an einen Slogan aus DDR-Zeiten. Wir sind ja hier tiefste Diaspora und die LPG, die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in der DDR, die hatte so einen schönen Spruch: "Ohne Gott und Sonnenschein, fahren wir die Ernte ein." Also man brauche das Ganze nicht. Jemand pfiffiges von der Kirche hat dann aber hinzugefügt: "Ohne Sonnenschein und Gott, geht die LPG bankrott." Ich sage, wo Kirche drin ist, das entscheiden letztendlich die Leute, die Kirche ausmachen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Pfarrer Markus Böhme, Bistum Dresden-Meißen / © Markus Böhme (privat)
Pfarrer Markus Böhme, Bistum Dresden-Meißen / © Markus Böhme ( privat )
Quelle:
DR