domradio.de: Die Broschüre "Zum Umgang mit der Kommunion bei Gluten-Unverträglichkeit" vom deutschen liturgischen Institut erklärt, was Zöliakie ist, was das Kirchenrecht bezüglich des Brotes bei der Eucharistie sagt und welche besondere Art von Hostien es für Zöliakie-Kranke gibt. Sie sind einer der Autoren dieser Broschüre und kennen sich damit aus, wie viel Allergen in einer Hostie aus Weizenmehl sein kann. Gibt es glutenfreie Hostien?
Dr. Alexander Saberschinsky (Referent für Liturgie im Erzbistum Köln): Was glutenfrei ist, ist Definition. Viele meinen, dass "glutenfrei" bedeutet, es sei 0,0 Prozent Glutenanteil in diesem Lebensmittel. Das stimmt so nicht. Wie viel Gluten in Lebensmitteln enthalten sein darf, regeln die Lebensmittel-Richtlinien. Es gibt klare Normen, die von von Zeit zu Zeit korrigiert werden. Im Augenblick ist eine Grenze bei 20 ppm festgesetzt, was bedeutet, dass 20 Milligramm pro Kilogramm enthalten sind. Das ist die Grenze, bis zu der Gluten in Lebensmitteln enthalten sein darf, damit etwas noch als glutenfrei gilt.
Es gibt Hostien, die einmal als glutenfrei galten, jetzt aber nicht mehr– obwohl sich die Hostien nicht verändert haben. Daran erkennt man die Relevanz der Definition. Die Lebensmittelrichtlinien, die wir im Augenblick haben, gelten seit zehn Jahren, seit 2007. Bis zum Jahr 2007 lag die Grenze für die Definition "glutenfrei" bei 200 ppm. Sie ist 2007 auf 20 herabgesetzt worden. Bislang enthalten glutenreduzierte Hostien in Regel bis zu 80 ppm. Also lagen sie mal unter dem Wert, jetzt liegen sie darüber – obwohl sich der Glutenanteil nicht verändert hat und diese Hostien genauso verträglich für die Betroffenen sind wie zuvor.
Kurzum: Derzeit gibt es nach offizieller Diktion nur glutenreduzierte Hostien, keine glutenfreien.
domradio.de: Wir hatten jüngst einen Beitrag hier bei domradio.de über eine sehr gläubige Katholikin, die selbst unter Zöliakie leidet. Sie hat erzählt, was mit ihr geschieht, wenn sie ganz normal zur Kommunion geht: "Das ist ein ziemlich unangenehmes Thema. Wer schon einmal an Magen-Darm-Grippe erkrankt ist, kann sich in etwa vorstellen, wie sich das anfühlt und was passiert, wenn ich eine normale Hostie esse. Ich vertrage noch nicht einmal den Partikel, der von der Priesterhostie abgebrochen und im Wein versenkt wird." – Herr Saberschinsky, was raten Sie dieser Dame?
Saberschinsky: Bei den Zöliakie-Erkrankungen gibt es eine große Bandbreite. Diese Dame ist offensichtlich richtig schwer davon betroffen. Es gibt Menschen, die können sogar normales Brot bis zu einer geringen Menge essen, ohne dass sie Folgen spüren. Dann gibt es diejenigen, die mit den sogenannten glutenfreien Lebensmitteln gut fahren, obwohl sie einen sehr geringen Anteil Gluten enthalten. Es gibt aber auch solche, die eine Null-Toleranz-Grenze haben. Diese Dame scheint, davon betroffen zu sein. Die Grenzen sind fließend.
Die normale Hostie ist im Grunde genommen nur ein kleines Stück Brot. Wenn ich sie aber nicht vertrage, kann ich auf die glutenreduzierten Hostien zurückgreifen. Wenn ich diese auch nicht vertrage, müsste ich tatsächlich ganz auf die Hostie verzichten. Das heißt aber nicht, dass ich auf die Eucharistie verzichte und auf das Kommunizieren. Es gibt immer noch die Möglichkeit, Christus in der Gestalt des konsekrierten Weines zu empfangen, also aus dem Kelch zu trinken - natürlich ohne den erwähnten Partikel.
domradio.de: Gluten ist das Klebe-Eiweiß, das in Weizen und anderen Getreiden vorkommt. Es gibt auch Urweizen oder Buchweizen ohne Gluten. In Kevelaer bäckt man sogar Hostien aus Mais- und Kartoffelmehl. Wäre das die Lösung? Was sagt das Kirchenrecht?
Saberschinsky: Ja, das wäre die Lösung, wenn das Kirchenrecht nicht definiert hätte, woraus die Hostien bestehen sollen. Das Brot für die Eucharistiefeier soll aus reinem Weizenmehl bestehen, heißt es im deutschen Text. Es ist der römisch-katholischen Kirche eben wichtig, dass es ein natürliches Produkt ist. Das ist eigentlich der Punkt. Brot und Wein für die Eucharistie müssen natürlich hergestellt werden, allein aus natürlichen Lebensmitteln.
Man ist sogar bereit, dem Wandel der Zeit Rechnung zu tragen: Zum Beispiel ist es erlaubt, Hostien aus genmanipuliertem Weizen herzustellen. Da geht man schon relativ weit. Aber es muss irgendwie noch Weizenmehl sein. Der Herstellungsprozess muss sowohl für das Weizenmehl als auch für das Brot natürlich verlaufen. Deswegen scheiden Hostien aus anderen Mehlsorten wie Kartoffelmehl und Maismehl aus, weil das einfach kein Weizenmehl ist.
domradio.de: Sie haben sich lange und umfassend mit dem Thema "glutenfreie Hostie" befasst und Antworten auf die Frage gesucht, warum das Brot, das zum Leib Christi gewandelt wird, nur aus Weizenmehl bestehen darf. Wen haben Sie alles gefragt und wurden Sie fündig?
Saberschinsky: Ich habe Kollegen und andere Theologen gefragt. Auch mit Kirchenrechtlern habe ich mich unterhalten. Die haben natürlich ihre klare Antwort, indem sie auf das Kirchenrecht verweisen, den sogenannten Codex Iuris Canonici. Das ist unser Gesetzbuch aus dem Jahre 1983. Doch ist es möglich, das noch einmal zu hinterfragen, weil auch der Codex nicht vom Himmel gefallen ist.
Wenn man sich mit Systematikern unterhält, wird klar: Diese Fragen werden auch in der Theologie kontrovers diskutiert. Wir als Theologen haben jetzt auch noch einmal den Auftrag aus Rom bekommen, uns mit diesen Fragen zu befassen – im Kontext des jüngsten Rundschreibens im Juli.
Woran man letzten Endes hängen bleibt und worauf man bauen kann, ist das letzte Abendmahl Jesu. Brot und Wein sind die sakramentalen Zeichen, die Jesus selbst im letzten Abendmahl gesetzt hat. Diese sakramentalen Zeichen sind somit auch in der katholischen Kirche gesetzt. Sie stehen nicht zur Debatte, an ihnen kann man nichts ändern.
Ansonsten könnten wir uns auch plötzlich überlegen, ob wir uns etwas anderes für die Taufe einfallen lassen. Aber die passiert durch Untertauchen oder Übergießen mit Wasser mit dem entsprechenden Begleitwort. Daran ist nicht zu rütteln. Das „Drumherum“ kann ausgestaltet werden, und es ändert sich ja auch tatsächlich im Laufe der der Zeit. Auch die Gestaltung unserer Messfeier hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Aber der Kernbestand, das Zeichen, das Jesus selbst eingesetzt hat, und die Worte, die er deutend dazu gesprochen hat: "Das ist mein Leib. Das ist mein Blut." – dahinter können wir nicht zurück.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.