domradio.de: Zur Weihe wird es auch ein großes Volksfest für die Mainzer geben, was bedeutet das?
Prof. Dr. Peter Kohlgraf (ernannter Bischof von Mainz): Es ist uns wichtig, dass die Gläubigen aus dem Bistum an dieser Feier auch teilhaben können. Der Mainzer Dom hat da gewisse Grenzen. Es passen nur gut 1200 Leute rein und dann wird es eng. Wir wollten also auch einen Ort der Begegnung schaffen über den Gottesdienst hinaus. Der Gottesdienst wird auch nach draußen übertragen. Danach gibt es ein Fest mit Musik, das einfach für die Begegnung da ist, ohne viel Aufwand für die Gemeinden. Wir wollen feiern, uns freuen und uns auch gegenseitig begegnen.
domradio.de: Die Mainzer sind Ihnen nicht unbekannt. Seit 2013 haben Sie als Dozent an der katholischen Hochschule in Mainz gearbeitet. Welche Beziehung haben Sie zum Bistum und seinen Menschen?
Kohlgraf: Ich war fünf Jahre neben der Professur in einer Pfarrgruppe im rheinhessischen Teil des Bistums als Pfarrvikar tätig. Vier Gemeinden waren das, mitgeholfen habe ich in zehn Gemeinden. Das waren kleine, aber lebendige Diaspora-Gemeinden dort. In der Zeit habe ich zumindest den rheinland-pfälzischen Teil des Bistums gut kennengelernt. Zwei Drittel des Bistums Mainz liegt aber in Hessen, da ist sicher noch Luft zum Kennenlernen. Ich war aber auch die vergangenen Jahre schon durch den "Prozess Sozialpastoral" viel im Bistum unterwegs.
domradio.de: Sie wissen also auch schon welche Aufgaben und Herausforderungen auf Sie zukommen werden die nächsten Jahre?
Kohlgraf: Einiges habe ich zumindest schon erahnen können. Je konkreter es wird, desto mehr verstehe ich jetzt auch worum es wirklich geht. Die Hauptbaustellen kenne ich aber, ja.
domradio.de: Stehen die ersten Termine nach der Weihe schon fest?
Kohlgraf: Das ist eine gute Frage. Ich sag’s mal so: Die ersten drei Monate sind schon mal total voll. Einer der wichtigsten Termine für mich ist, dass ich neben den Gremien des Bistums auch einzeln und direkt mit den Dekanen vor Ort sprechen möchte, um wirklich mal zu hören, wo der Schuh drückt.
domradio.de: Sie übernehmen das Bistum nicht in der einfachsten Zeit. Die Gemeinden werden zusammengelegt, die Zahl der Taufen geht zurück. Wie werden Sie das angehen?
Kohlgraf: Das ist ein Thema, dass wir relativ schnell angehen müssen. Ich sehe im Moment keine große Lust, weder bei mir, noch bei den anderen, über diese Riesengemeinden nachzudenken. Wir müssen einfach überlegen, ob es andere Wege gibt. Das Bistum Mainz zeichnet sich durch sehr unterschiedlich geprägte Regionen aus. Wir haben einige katholische Städte, aber auch viele Diaspora-Gemeinden. Eine Stadt wie Mainz muss man anders aufstellen, als kleine Gemeinden auf dem Land. Und genau da müssen wir ran.
domradio.de: Haben Sie schon Ideen? Zur Laienbeteiligung zum Beispiel?
Kohlgraf: Ohne Beteiligung der Laien wird’s gar nicht gehen. Je weiter sich die Kirche, und deren Verantwortliche, von der Basis entfernt, von den Menschen um den Kirchturm herum, desto geringer wird auch die Kirchenbindung bei den Menschen. Man braucht einfach ein Gesicht oder Gesichter vor Ort, mit denen man Kirche identifiziert. Genau da müssen wir Menschen gewinnen auch den Mut zu haben und die Lust, der Kirche heute ein Gesicht zu geben und Jesus ein Gesicht zu geben.
domradio.de: Was ja auch die Idee von Papst Franziskus ist.
Kohlgraf: Er kritisiert hin und wieder sehr stark, wie sehr sich die Kirche in manchen Regionen von der Basis weg entwickelt. Er hat auch Vorstellungen, die uns manchmal etwas kurios erscheinen. Nach dem Motto: Stellt einen Wohnwagen hin, dass Seelsorgern den Leuten noch näher sind.
domradio.de: Was nehmen Sie sich daraus als persönlichen Auftrag mit?
Kohlgraf: Eine ganze Menge, auch vieles, was man vielleicht nicht direkt erwarten würde. Ich erlebe bei ihm, wie auch bei anderen vor ihm, eine ganz authentische Christus-Beziehung. Eine "Freude am Evangelium", wie er sein Buch nennt. Die spürt man bei ihm einfach, wenn man ihn erlebt und sieht. Alle anderen Fragen, von Strukturen bis zur Weitergabe des Glaubens, das hängt alles an dieser Begeisterung für den Glauben. Wenn ich diese Begeisterung nicht selber in mir trage, dann nutzen auch die besten Methoden nichts.
domradio.de: Das drückt auch Ihr Wahlspruch als Bischof aus, oder? "Das Reich Gottes ist euch nahegebracht".
Kohlgraf: Genau. Das ist eigentlich die Zusammenfassung von Jesu Botschaft. Jesus sieht Gott am Werk und spricht oft von Bildern des Wachstums, der Saat. Wenn wir heute an Kirche denken, dann sagen wir das Gegenteil: Es wird kleiner, wir werden weniger. Das heißt: Entweder hat Jesus sich vertan, was ich nicht glaube, oder wir haben die falschen Vorstellungen. Vielleicht müssen wir neue Brillen entwickeln, um noch mal genau hinzuschauen auf das Wirken Gottes in dieser Welt, der sich offensichtlich nicht bindet an unsere kirchlichen Statistiken. Ich vermute mal, dass Gott auch weiterhin in dieser Welt am Werk ist. Das ist meine Hoffnung und mein Glaube. Kirche ist ein Werkzeug, nicht mehr und nicht weniger, um dieses Reich Gottes in die Welt zu setzen.
domradio.de: Wenn Sie nun so kurz vor der Weihe stehen, was ist Ihnen wichtig? Was sollen die Mainzer über Sie als Menschen wissen?
Kohlgraf: Ich freue mich, dass ich in Mainz bin, dass ich in Mainz bleibe. In den fünf Jahren habe ich gemerkt, dass dort Menschen sind, die das Herz auf dem rechten Fleck haben. Das ist keine Lobhudelei, sondern da stecken viele persönliche Erfahrungen und Begegnungen dahinter. Ich glaube, dass das auch mit dem christlichen Glauben zu tun hat. Wenn die Menschen mich annehmen, und ich die Menschen annehme, dann geht das Bistum in eine gute Zeit.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.