domradio.de: Warum sind Sie denn nach Island gereist - sind Sie auch angesteckt vom Hype um den Fußball-Schlachtruf "HU"?
Dr. Stephan Ackermann (Bischof von Trier): Natürlich habe ich auch von dem "HU" gehört, aber vor allem auch von dem Enthusiasmus mit dem die Isländer ihre Fußballer zurück empfangen haben. Aber natürlich war ich auch angesteckt von der Idee, ein wirklich unbekanntes Land kennenzulernen. Tatsächlich ist es dann zu einer Begegnung sowohl mit der Landschaft Islands gekommen, als auch mit der Kirche vor Ort.
domradio:de: Wie privat kann man als Bischof denn in den Urlaub fahren?
Ackermann: Das kommt durchaus auf die Urlaubsgegend an. Aber wenn ich mich im Urlaub im Raum der Kirche bewege, zum Beispiel Gottesdienste besuche, dann kann es passieren, dass ich da als Bischof von Trier erkannt werde. So ist es mir auch in Island ergangen. Menschen, die aus Deutschland nach Island übergesiedelt sind und mich auf einmal mit "Guten Tag, Herr Bischof" begrüßt haben. Mit solchen Überraschungen und Begrüßungen darf man eigentlich immer rechnen.
domradio.de: Was die meisten vielleicht nicht wissen: Auf Island gibt es auch eine katholische Minderheit, rund 13.000 Katholiken leben auf der Insel. Die machen vier Prozent der Bevölkerung aus. Wie leben die denn? Leben die alle in der Hauptstadt Reykjavik oder sind sie über die Insel vertreut?
Ackermann: Wenn ich mir ein Bistum wie Reykjavik anschaue, mit 13.000 Katholiken, entspricht das bei uns in Deutschland einer mittelgroßen bis großen Pfarrei. Der Unterschied ist, dass die 13.000 Katholiken über das ganze Land verteilt sind und teilweise 700 Kilometer zwischen den einzelnen Pfarreien liegen. Das prägt ein ganz anderes Kirchengefühl. Außerdem findet man in Island eine sehr internationale Kirche vor, weil viele Menschen beispielsweise aus Polen, den Philippinen oder Litauen nach Island ausgewandert sind. So habe ich die Kirche in Island als sehr international und familiär zugleich erlebt. Viel stärker noch, als wir das in unseren Gemeinden in Deutschland kennen.
domradio.de: Wenn alle Katholiken so verstreut über die Insel leben: Wie funktioniert denn Glaubensleben ganz praktisch? Geht da überhaupt jemand in den Gottesdienst oder zum Kommunionsunterricht, wenn man dafür so weite Strecken zurücklegen muss?
Ackermann: Das ist ja häufig in der Diaspora so, dass die Menschen weite Strecken in Kauf nehmen müssen, um zur Gemeinde zu kommen. Aber die Christen - in dem Fall die katholischen Christen - sind auch bereit dazu diese Wege zurückzulegen, um am Gemeindeleben teilzunehmen, die Eucharistie zu empfangen oder um sich auf die Sakramente vorzubereiten. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist dort manchmal auch eine Sakramentenvorbereitung via E-Mail bzw. Internet möglich, damit die Kinder und Jugendlichen eben nicht jedes Mal diese enormen Strecken auf sich nehmen müssen.
domradio.de: Hat Sie das auch beeindruckt?
Ackermann: Das beeindruckt mich in der Tat. Das sagt viel über die Bedeutung und Wichtigkeit des Glaubens dort aus. Hier sind Katholiken teilweise nicht bereit fünf Kilometer bis in den nächsten Nachbarort zum Gottesdienst zu fahren. Es beschämt mich sogar fast ein bisschen, über welche Fragen wir uns hier den Kopf zerbrechen. Das sind Dinge, die sich die Isländer nicht leisten können. Ich habe größten Respekt davor, dass sie sich so regelmäßig auf den weiten Weg zur Kirche machen und das als Teil ihrer Glaubensidentität ansehen.
domradio.de: Sie stecken im Moment in einem großen Gesprächsprozess zur Synode in Trier. Spielen die Erfahrungen und Gedanken über ihren Islandaufenthalt dafür jetzt eine Rolle? Hat Sie das nachhaltig beeinflusst?
Ackermann: Natürlich ist der Unterschied so stark, dass man den nicht wirklich vergleichen kann. Ich kann unsere Gemeindemitglieder sicher auch nicht trösten, indem ich auf die Situation in Island verweise. Aber man kann anhand der Situation in Island lernen, sich einer veränderten Situation anzupassen. Das zeigt, dass man in einer pluralen Situation Kirche auch einfach leben sollte und dass dann neue Formen des Zusammenkommens gefunden werden müssen. Es zeigt auch, dass eine Kirche immer bunter wird: verschiedene Sprachen, verschiedene Kulturen. Das ist ein Prozess, den wir weiterhin erleben werden und auf den wir uns einstellen müssen.
Das Interview führte Matthias Friebe.