Der türkischstämmige Kölner Schriftsteller Akhanli war am Samstag in Spanien festgenommen worden. Grundlage für die Festnahme des 60-Jährigen war offenbar ein Strafverfahren gegen Akhanli in der Türkei. Sein Anwalt teilte mit, Akhanli werde freigelassen "mit der Auflage in Madrid zu bleiben". Wie die Zeitung "Die Welt" meldete, muss Akhanli sich einmal wöchentlich bei der Polizei melden.
Kritiker bezeichneten das Verfahren als eindeutig politisch motiviert. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nannte es einen Skandal, dass in der Türkei willkürlich Menschenrechtsaktivisten und Journalisten verhaftet würden. Wenn der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan "dies nun auch außerhalb des Territoriums der Türkei versucht, müssen wir uns als Europäer dem entschlossen entgegenstellen".
Forderung nach Reform von Interpol
Grünen-Chef Cem Özdemir forderte die Europäische Union auf, die polizeiliche Zusammenarbeit mit der Türkei neu zu bewerten. "Gegner des türkischen Regimes dürfen in Europa künftig nicht ungeprüft als Kriminelle verhaftet werden", sagte er dem "Tagesspiegel".
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderte eine Reform der internationalen Polizeiorganisation Interpol. Sie werde regelmäßig von autoritären Regimes missbraucht, "um missliebige Kritiker im Ausland verhaften und mundtot machen zu lassen", sagte GfbV-Direktor Ulrich Delius.
Das gelte insbesondere für das System der "Red Notice", so Delius: das Ersuchen um Festnahme oder vorläufige Inhaftierung, um die Auslieferung der entsprechenden Person zu veranlassen. Sie wird von einem Mitgliedsland zentral an die Interpol geleitet und ohne weitere Überprüfung von dort an die Polizeibehörden der 190 Mitgliedstaaten verteilt. Ohne eine Reform dieses Systems mache sich Interpol "zum Büttel der Feinde des Rechts", mahnte der Menschenrechtler.
Verband warnt Journalisten
Akhanli wurde 1957 in der Türkei geboren. Nach dem Militärputsch 1980 ging er in den Untergrund. Er war zwei Jahre in einem Militärgefängnis inhaftiert, ehe er 1991 mit seiner Familie nach Deutschland fliehen konnte. Akhanli, der seit 25 Jahren in Köln lebt und Mitglied der internationalen Schriftstellervereinigung PEN ist, hatte sich wiederholt kritisch gegenüber der türkischen Regierung geäußert. In seinem literarischen Werk thematisiert er den Völkermord an den Armeniern sowie die Ablehnung der Anerkennung dieses Völkermords in der Türkei. Er setzt sich für Aufarbeitung von historischer Gewalt und die Achtung der Menschenrechte ein. 2009 wurde er vom Bündnis für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet. Akhanli hat die deutsche Staatsbürgerschaft.
Der Deutsche Kulturrat zeigte sich besorgt darüber, dass Kulturschaffende immer stärker ins Visier der türkischen Regierung gerieten. Die Bundesregierung müsse die Sicherheit von Künstlern und Journalisten bei Auslandsreisen gewährleisten, erklärte Geschäftsführer Olaf Zimmermann. Zuvor hatte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) türkeikritischen Journalisten geraten, vor dem Antritt einer Auslandsreise beim Bundeskriminalamt (BKA) einen Antrag auf Selbstauskunft zu stellen. Sie bräuchten Klarheit darüber, "ob ein unbeschwerter Urlaubstrip ins Ausland im Knast endet".