Für Hugh Ross ist der 21. August ein Tag in seinem Leben wie kein zweiter. Kein Wunder: Der Mann ist Astronom und evangelischer Pfarrer. Vor 99 Jahren warf die Sonnenfinsternis zum letzten Mal ihren langen Schatten auf den nordamerikanischen Kontinent. Als Wissenschaftler wird er nur dieses eine Mal das seltene Himmel-und-Erde-Phänomen begutachten können. Und auch als Gottesmann wird er zu Lebzeiten keine zweite Chance bekommen, in seiner Heimat das Sonne-Mond-Spektakel zu bewundern.
Spiritualität und Wissenschaft, das ist Ross' großes Thema. Er wird an diesem Tag ins östliche Oregon fahren. Und mit ihm eine Reisegruppe mit 80 Christen. Ross will ihnen zeigen, "dass Gott mit Absicht das Universum schön gemacht hat". Und eine Sonnenfinsternis sei eine dieser Schönheiten.
Ganze Kirchengemeinden reisen an
Ross und seine Ausflugsgruppe werden beileibe nicht allein unterwegs sein. Ungezählte Kirchengemeinden im ganzen Land planen auch schon. Das Naturschauspiel gilt manchen als Gottesbeweis; erst recht im traditionell gläubigen Nordamerika, wo an diesem Tag von Oregon im Nordwesten bis zu den Carolinas im Südosten das ganze Land von einem 60 Meilen breiten Schattenstreifen berührt wird.
Als Ross noch Astro-Wissenschaftler am "California Institute of Technology" war, nahm er seine Kollegen oft mit in die Sierra Nevada, um ihnen die "Handschrift Gottes" zu zeigen. Die Schönheit der Natur wirft aus seiner Sicht immer die Frage auf: "Warum ist sie schön?" Damit sei ein wesentlicher Aspekt des christlichen Glaubens berührt.
Er geht soweit, die Schönheit der Schöpfung als Werkzeug für die Evangelisierung zu sehen. So sehr ist er von der spirituellen Bedeutung der bevorstehenden Sonnenfinsternis überzeugt.
Seltenes Naturschauspiel
Auch Gary Ray, Autor einer evangelikalen Publikation, glaubt an ein Himmelszeichen, wenn am 21. August mitten am Tag die Finsternis über den Landkorridor vom Pazifik bis zum Atlantik wandern wird. "Die Bibel kennt viele Zeichen des Himmels, die uns ankündigen, wenn Jesus zur Erde zurückkehrt." Manche religiöse Sekten erwarten am Tag der Sonnenfinsternis sogar den Weltuntergang.
Wissenschaftlich gesehen ist die totale Sonnenfinsternis ein seltenes, aber immer wiederkehrendes Naturschauspiel, das seinen Höhepunkt an immer anderen Orten der Welt erlebt. 1979, als die USA zum letzten Mal von der Sonne-Mond-Konstellation betroffen war, konnte das Spektakel nur in einer kleinen Region des pazifischen Westens besichtigt werden. Dieses Jahr fällt der kurze Schatten ausschließlich auf die USA, und das über die gesamte West-Ost-Breite.
Eine Toilette für Millionen Besucher
Ob Religiöse, Wissenschaftler oder Neugierige: Das Ereignis elektrisiert die Massen. Besucher aus Asien und Europa werden in Millionenstärke erwartet. Gästezimmer in der hinterletzten Provinz sind schon jetzt nahezu ausgebucht. In den "Schattenregionen" von West nach Ost leben rund zwölf Millionen Amerikaner. Mindestens nochmal so viele werden im August als Gäste erwartet - was auch zu Engpässen führen kann.
So berät beispielsweise der Astronom Tyler Nordgren von der University of Redlands Nationalparkbetreiber in Oregon. Dort lässt sich das Spektakel besonders gut und zuallererst sehen. Allein für den Ost-Oregon-Park rechnet Nordgren mit bis zu 50.000 Himmelsbeobachtern. Allerdings hat der Park ein Problem: Es gibt nur eine Toilette.