domradio.de: Sie waren an der "Initiative Friedensplan" beteiligt, einem Bündnis aus Kirchen, Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen, die sich mit den Hauptverantwortlichen des Braunkohleabbaus - also RWE - an einen Tisch gesetzt haben. Was war das Ziel dieser Initiative?
Walter Mörsch (Mitglied im regionalen Katholikenrat der Region Düren und Gegner des Braunkohleabbaus): Das Ziel der Initiative war eigentlich ein Dreifaches: Zunächst einmal ist sicherlich unbestritten, dass die Verbrennung von Braunkohle das Klima durch den sehr hohen CO2-Ausstoß schädigt. Das ist ein weltweites Problem.
Zum zweiten ist der Hambacher Wald eigentlich naturschutzwürdig. Er ist damals nur nicht gemeldet worden. Sonst wäre er nach EU-Richtlinien unter Schutz gestellt worden.
Und zum dritten geht es auch um Gewalt. Einmal von RWE-Power gegen die Natur und die umliegende Bevölkerung. Und es geht um Gewalt zwischen dem Bergbau-treibenden Konzern und den Wiesen- und Waldbesetzern, die sich seit Jahren mit RWE-Power streiten und ihn daran hindern wollen, weitere Bäume abzuholzen.
domradio.de: Sie haben sich in dieser Initiative rund sechs, sieben Mal mit RWE getroffen. Was ist dabei herausgekommen?
Mörsch: Es ist im Schlussergebnis nicht sonderlich viel herausgekommen. Wir haben uns zwar in einer sehr offen Atmosphäre austauschen und unsere Positionen darstellen können sowie erreicht, dass zumindest über ein gutes halbes Jahr die Gewalttätigkeit zwischen RWE und den Wiesenbesetzern deutlich reduziert wurde. Aber als dann zum Herbst des vergangenen Jahres klar wurde, dass RWE weiter an den Abholzungsmaßnahmen zum 1. Oktober 2016 festhalten würde, ist die Gewalt wieder auf das Niveau angestiegen, das es bereits vorher gab.
Insofern haben wir langfristig nichts erreicht, aber kurzfristig ist es ein Erfolg, dass wir weiter in der Öffentlichkeit bleiben. Ohne dass irgendwelche Aktionen laufen, werden Probleme in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.
domradio.de: Sie sind praktizierender Christ und berufen sich in Ihrem Engagement auf die Umweltenzyklika "Laudato si" des Papstes. Inwiefern motiviert Sie die Enzyklika in Ihrem Engagement?
Mörsch: "Laudato si" ist die erste Enzyklika, die ich wirklich sehr aufmerksam gelesen habe. Franziskus fordert uns auf, uns einzumischen und er stellt ganz deutlich klar, dass das Wirtschaftssystem, das weltweite Klimaproblem und die Umweltzerstörung miteinander zusammenhängen. Er fordert uns als Christen auf, uns dafür auch wirklich einzusetzen.
Wir haben als Katholikenrat in der Region deshalb auch einen Arbeitskreis gegründet, nicht zufällig auch "Laudato si" heißt und sich um den Hambacher Tagebau und die Klimakatastrophe kümmert; der sich aber auch an die einzelnen Gemeinden wendet, damit die sich Gedanken machen, wie sie ihre gemeindeeigenen Häuser und Gebäude energieeffizienter bewirtschaften können.
domradio.de: Für das Wochenende rufen viele Organisation und Verbände zu friedlichen Protesten in der Nähe des Hambacher Forstes auf. Aber es gibt auch immer wieder gewaltbereite Aktivisten, die ankündigen, Gesetze übertreten zu wollen. Werden die mit ihren Taten vielleicht mehr erreichen als Sie mit Ihren Worten?
Mörsch: Da bin nicht sicher. Es gibt zwar auch das Wort von Papst Franziskus, das lautet: "Ein Christ, der in diesen Zeiten nicht revolutionär ist, ist kein Christ". Insofern fordert er damit geradezu auf, revolutionär zu sein. Für mich als alten Beamten bedeutet revolutionär aber nicht, dass dies zwangsläufig mit Gewaltbereitschaft und Gewalttaten verbunden ist.
In dieser Diskussionsrunde mit RWE-Power waren beide Seiten - also auch wir als Waldschützer - der Auffassung, dass das Ganze gewaltfrei und gesetzeskonform ablaufen muss. Vor allen Dingen darf keine Gewalt gegen Menschen ausgeübt werden.
Wenn ich die Diskussionen und Berichte über den G20-Gipfel in Hamburg sehe, dann waren dort sehr viele Gewaltbereite und auch gewaltsam agierende Menschen auf der Straße. Es wurde mehr als Dreiviertel über die Gewalttaten und die Polizeieinsätze diskutiert, nur nicht über die - ich unterstelle einmal - sehr sinnvollen und nachvollziehbaren Forderungen der friedlichen Demonstranten.
Insofern halte ich es für sinnvoll, dass Klimacamps stattfinden. Aber ich plädiere dafür, trotz der Aufforderung, revolutionär zu sein, alles friedlich und in jedem Fall ohne Gewalt gegen Menschen ablaufen zu lassen. Nur dann wird darüber positiv berichtet. Wenn hier Gewalttaten verübt werden, die nicht mehr akzeptabel sind, dann wird das in der Berichterstattung in den Vordergrund gerückt. Das schadet nur der Aktion.
Das Interview führte Tobias Fricke.