KNA: Ihr 75. Geburtstag fällt in das Jahr des Reformationsgedenkens. Welche Rolle spielte die Ökumene bei Ihrer Arbeit?
Norbert Trelle (Bischof von Hildesheim): Kirchliches Leben in unserem Bistum wird in vielen Orten zu unterschiedlichen Anlässen ökumenisch gestaltet. Ich feiere regelmäßig Gottesdienste mit meinen evangelischen Glaubensbrüdern und -schwestern. Wir suchen den stetigen Austausch zu gesellschaftspolitischen Fragen und natürlich zu Fragen des Glaubens.
Ich erinnere daran, dass wir 2013 gemeinsam mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers einen Kongress mit dem Titel "Kirche hoch zwei" veranstaltet haben, bei dem fast 1.400 evangelische und katholische Christen in Hannover zusammengekommen waren, um über die Zukunft der Kirche nachzudenken. Wir geben in ökumenischer Zusammenarbeit ein Gebetbuch für Flüchtlinge heraus und tun noch vieles mehr gemeinsam. Insofern spielt die Ökumene für unser Bistum und für mich als Bischof eine große Rolle.
KNA: Wie beurteilen Sie aktuell das Verhältnis der beiden großen Kirchen zueinander?
Trelle: Wir stehen in einem freundschaftlichen Dialog miteinander auf vielen Ebenen. Es stärkt die Ökumene sehr, dass die Reformationsfeiern in diesem Jahr katholische und evangelische Christen nicht trennen, sondern zusammenbringen. In Hildesheim fand im März der zentrale Versöhnungsgottesdienst statt. Er war für mich ein starkes Zeugnis dafür, dass wir als christliche Kirchen in Deutschland zusammengehören. Auf diesem Weg gibt es natürlich noch Hürden. Aber wir haben in den vergangenen Jahren schon viel erreicht. Das sollte uns Mut machen für die Zukunft.
KNA: Flüchtlinge lagen Ihnen immer am Herzen. Steht uns aktuell eine neue Flüchtlingskrise in Europa bevor?
Trelle: Ich hoffe es nicht. Fakt ist aber, dass es im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika eine Vielzahl an Krisenherden gibt, die Menschen dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen. Solange sich das nicht ändert, werden sich weiterhin Tausende aufmachen, um Zuflucht zu finden vor Verfolgung, Krieg oder Hungersnöten. Das ist eine Tragödie riesigen Ausmaßes.
KNA: Wie lauten Ihre Forderungen an die Regierenden im Umgang mit der Flüchtlingssituation?
Trelle: Im Umgang mit den Geflüchteten sind die Lasten zwischen den Staaten sehr ungleich verteilt. Da wünsche ich mir in Europa viel mehr Solidarität mit Ländern wie Italien und Griechenland. Und wir sollten nicht vergessen, dass Jordanien und der Libanon weit über eine Million Flüchtlinge aufgenommen haben, obwohl sie nicht einmal ansatzweise über die ökonomischen Möglichkeiten verfügen wie die Staaten der EU. Da sehe ich dringenden Handlungsbedarf.
KNA: Als Bischof von Hildesheim durften Sie vor zwei Jahren auf die 1200-jährige Geschichte des Bistums zurückblicken, mussten sich aber auch Gedanken um die Zukunft der Diözese machen. Sehen Sie das Bistum für kommende Zeiten gut aufgestellt?
Trelle: Wir haben uns gut darauf eingestellt, dem demografischen Wandel mit den damit einhergehenden sinkenden Katholikenzahlen und zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen begegnen zu können. Wir haben in den vergangenen Jahren Strukturveränderungen vornehmen müssen mit all den schwierigen und schmerzhaften Begleiterscheinungen. Es gab Gemeindefusionen, Einsparungen im Haushalt und weiteres mehr. Wir ordnen derzeit die überpfarrliche Seelsorge neu. Und wir haben einen Prozess in Gang gesetzt, den wir "Lokale Kirchenentwicklung" genannt haben und der immer mehr an Fahrt gewinnt. Priester, Hauptberufliche und engagierte Christen stehen dabei in einer gemeinsamen Verantwortung, die Kirche von morgen zu gestalten. Da sehe ich Aufbrüche, die mich zuversichtlich stimmen.
KNA: In Ihrer Amtszeit mussten Sie 56 Kirchen schließen. Welche Gefühle hatten Sie dabei?
Trelle: Eine Kirche schließen zu müssen ist schmerzlich und hat mich immer sehr traurig gemacht. Oft genug hätte ich mit weinen können, wenn ich nach Profanierungsgottesdiensten in die Gesichter der Gläubigen geschaut habe. Leider war es aber unumgänglich, neben anderen einschneidenden Maßnahmen auch Kirchen aufzugeben, um das Bistum zu konsolidieren und zukunftsfähig zu machen.
KNA: In den letzten zehn Jahren wurden im Bistum Hildesheim mehrere Missbrauchsvorwürfe gegen einen pensionierten Priester und gegen einen Ihrer Amtsvorgänger, Bischof Heinrich Maria Janssen, erhoben. Am Mittwoch wurde ein unabhängiges Gutachten fertiggestellt, das noch nicht veröffentlicht wurde. Was erhoffen Sie sich davon?
Trelle: Ich erhoffe mir von dem Gutachten ausreichende Klarheit und eine differenzierte Beurteilung der Missbrauchsvorwürfe. Wir werden den Bericht sehr aufmerksam lesen und die Ergebnisse dann in einigen Wochen gemeinsam mit dem von uns beauftragten Institut vorstellen. Auch viele andere Diözesen haben mit Missbrauchsvorwürfen zu kämpfen.
KNA: Wie kann die Kirche ihre Glaubwürdigkeit zurückerlangen?
Trelle: Glaubwürdigkeit lässt sich nur durch Vertrauen zurückerlangen. Die Menschen müssen uns vertrauen können, dass wir im Umgang mit dem schlimmen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs das Richtige tun. Eine Kirche, die sich um die Opfer kümmert, Verfehlungen in den eigenen Reihen konsequent aufarbeitet und alles dafür tut, sie in Zukunft zu verhindern, ist eine glaubwürdige Kirche.
KNA: Laut Kirchenrecht müssen Sie dem Papst mit Vollendung des 75. Lebensjahrs Ihren Rücktritt anbieten. Haben Sie das schon getan?
Trelle: Das habe ich getan.
KNA: Würden Sie gerne weiter im Amt bleiben oder freuen Sie sich auf den Ruhestand?
Trelle: Der Papst entscheidet, ob er meinen Rücktritt annimmt. Ich blicke jedenfalls mit Dankbarkeit und überwiegend guten Gefühlen auf die mehr als elf Jahre zurück, in denen ich das Bistum Hildesheim leiten durfte.
KNA: Was haben Sie als Emeritus vor?
Trelle: Ich werde sicher auch weiterhin Gottesdienste im Bistum feiern, wenn und wo immer ich gebraucht werde. Daneben: Viel lesen, wandern und mit dem Fahrrad mir bisher unbekannt gebliebenen Orte und Regionen des Bistums ansteuern, soweit der "Bruder Leib" mitmacht. Vielleicht gelingt es mir ja auch, jene Kirchen des Bistums zu besuchen, in denen ich bisher noch nicht war. Von mehr als 400 Kirchen wären das etwa 70 - ein ganz ansehnliches Langzeitprogramm, wie ich finde.
Das Interview führte Michael Althaus.