"Die ankommenden Flüchtlinge müssen nach ihrer Erstaufnahme gerecht verteilt werden - das ist unsere moralische Pflicht", erklärte Heße am Mittwoch während einer Informationsreise nach Sizilien. Zwischen den EU-Ländern sei Solidarität notwendig.
Weiter betonte der Erzbischof: "Hier vor Ort in Sizilien sehe ich, welche großen Herausforderungen für einen Staat an der EU-Außengrenze mit der großen Zahl von Flüchtlingen verbunden sind." Vor zwei Jahren hatten die deutschen Bischöfe Heße zum Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen ernannt. Bis Freitag hält er sich auf Sizilien auf. Die Reise soll ein Zeichen der Solidarität mit Flüchtlingen sein und die Leistungen von Helfern würdigen, wie die Deutsche Bischofskonferenz mitteilte.
Mit seinem Urteil hat der EuGH eine Klage von Ungarn und der Slowakei gegen die Flüchtlingsquote abgewiesen. Diese Länder sperren sich gegen eine Umverteilung von Flüchtlingen. Insbesondere die Erstaufnahmestaaten Italien und Griechenland tragen die größte Last.
Zwist in der EU
Die EU-Staaten hatten sich in der Hochphase der Flüchtlingskrise am 22. September 2015 gegen den Widerstand von Ungarn, der Slowakei sowie Rumänien und Tschechien darauf verständigt, 120 000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf andere EU-Länder umzuverteilen. Betroffen sind davon Menschen, die gute Chancen auf Asyl hatten, etwa weil sie aus dem Bürgerkriegsland Syrien kamen. Die Entscheidung sorgte seitdem immer wieder für Zwist innerhalb der EU; beispielsweise weigert sich auch Polen bislang, Flüchtlinge aufzunehmen.
Der EuGH befand nun, dass die Entscheidung damals einwandfrei getroffen worden sei. Sie sei außerdem ein geeignetes Mittel gewesen, um die Ankunftsländer Griechenland und Italien zu entlasten.
Slowakei will EuGH-Urteil akzeptieren - Polen nicht
Die Slowakei will das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) akzeptieren. "Wir nehmen das Urteil zur Kenntnis und akzeptieren es", sagte der Sprecher des slowakischen Außenministeriums Peter Susko der Zeitung "Die Welt" am Mittwoch. Nun müsse man allerdings noch die Details abwarten, so Susko. Das Urteil ändere jedoch nichts an der Überzeugung der Slowaken, dass die Verteilung von Flüchtlingen nach Quoten in der Praxis nicht funktioniere, sagte er.
Trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) will Polens Regierung weiter keine Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufnehmen. Die Gerichtsentscheidung ändere "absolut nicht die Position der polnischen Regierung, wenn es um die Migrationspolitik geht", sagte Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Mittwoch in Krynica-Zdroj in Südpolen. Sie gehe davon aus, dass das auch für die anderen ostmitteleuropäischen Staaten der Visegrad-Gruppe, Ungarn, Tschechien und die Slowakei gelte. Im Mittelpunkt einer weisen Migrationspolitik müssten Sicherheit und Effektivität stehen, so Szydlo. Die polnische Regierung wolle künftig stärker andere Staaten unterstützen, die Hilfe bräuchten. Einzelheiten nannte sie nicht.
Am Mittag veröffentlicht die EU-Kommission ihre Fortschrittsberichte zur Umverteilung von Flüchtlingen in der EU, die eigentlich bis zum 26. September abgeschlossen sein sollte. Mit dem EuGH-Urteil zu den Flüchtlingsquoten wird die Rechtmäßigkeit der Umverteilung bestätigt.
Im Juni leitete die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Tschechische Republik, Ungarn und Polen ein, weil sie sich nicht an der Umverteilung beteiligen. Es wird erwartet, dass sich die Kommission bald zu den Gründen der Länder, sich nicht an der Umverteilung beteiligen, äußert. Dann könnte der nächste Schritt im Verfahren eröffnet werden und die Kommission den EuGH anrufen.
Die Slowakei hat bisher 60 Plätze angeboten und nahm 16 Flüchtlinge (Stand 1. September) aus Griechenland tatsächlich auf; vorgesehen sind im Rahmen der Umverteilung 902 Flüchtlinge für das Land. Polen stellte 100 Plätze bereit, aber nahm bisher niemanden tatsächlich auf. Ungarn hat bislang keinen der für das Land errechneten knapp 1.294 Flüchtlinge aufgenommen. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Flüchtlinge, die im Rahmen der Umverteilung aus Griechenland und Italien aufgenommen wurden.
Bei weiterer Weigerung Strafen möglich
Sollten Ungarn oder andere EU-Staaten sich nun weiterhin gegen den Beschluss und die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, könnte die EU-Kommission auf solider rechtlicher Basis sogenannte Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben, die letzten Endes in hohen Geldstrafen münden können.
Positive Reaktionen aus der Politik
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte das EuGH-Urteil. Nun sei auch rechtlich abschließend geklärt, dass die vom Rat beschlossene europäische Solidarität nicht nur in Einklang mit europäischen Werten, sondern auch in "vollem Umfang mit dem europäischen Recht" stehe, so Gabriel. Es könne nun erwartet werden, dass die Länder die Beschlüsse ohne weiteres Zögern umsetzen.
Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber, hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Flüchtlingsquoten begrüßt. "Nach dem Urteil des EuGH gibt es eine echte Chance, dass die offene Wunde in Europa bei der Migrationspolitik geheilt wird", so Weber. Er erwarte nun von allen EU-Staaten, dass das Urteil respektiert und umgesetzt werde. "Solidarität ist keine Einbahnstraße", sagte Weber.
Die Ko-Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament, Ska Keller, sieht das Urteil als "Meilenstein" für die europäische Flüchtlingspolitik. "Der Europäische Gerichtshof hat Solidarität klar zum Kern der gemeinsamen Flüchtlingspolitik in Europa erklärt", sagte die Ko-Vorsitzende. Die EU-Kommission müsse das Urteil nun durchsetzen und das Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Polen und die Tschechische Republik vorantreiben.
Amnesty International zufrieden
Birgit Sippel, die innenpolitische Sprecherin der europäischen Sozialdemokraten, begrüßte das Urteil ebenfalls. Es sei auch für die Verhandlungen zu einem neuen europäischen Asylsystem, den sogenannten Dublin-Regeln, mit einem langfristigen, fairen Verteilungsschlüssel bedeutend, so Sippel. "Ich hoffe, dass jetzt endlich Bewegung in die Verhandlungen kommt", sagte die SPD-Abgeordnete. "Bisher drücken insbesondere die Visegrad Staaten - Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn - hier weiter auf die Bremse", so Sippel.
Amnesty International betonte, das Urteil zeige, dass sich kein EU-Mitgliedstaat vor der Verantwortung für die Flüchtlinge verstecken könne. "Die Slowakei und Ungarn haben versucht, das EU-System der Solidarität zu täuschen, aber jedes Land muss eine Rolle beim Schutz von Menschen spielen, die vor Gewalt und Verfolgung fliehen", so die Direktorin von Amnesty International bei den EU-Institutionen, Iverna McGowan. Die EU-Mitgliedstaaten müssten nun Solidarität zeigen.