Braucht die Muttergottes einen Dolmetscher?

Die Kirche hält Distanz zu Sehern

Seit Jahrzehnten behauptet ein pensionierter sizilianischer Polizist, ihm erscheine regelmäßig die Muttergottes. Damit findet er sein Publikum nun auch in Bayern. Die Kirche bleibt auf Distanz, beobachtet aber aus der Ferne mit.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Bildnis der Muttergottes / © FINE ART (epd)
Bildnis der Muttergottes / © FINE ART ( epd )

Auf die Frage, warum sich die Muttergottes ausgerechnet Unterflossing ausgesucht habe, um dort wie angekündigt am 9. September um 16.30 Uhr zu erscheinen, hat Otto Mosszi eine entwaffnende Antwort: "Weil ich sie eingeladen habe." Zu dem wundersamen Ereignis fanden sich am zweiten Septemberwochenende 800 bis 1.000 Personen auf dem Grundstück des Kapellenbesitzers, Ingenieurs und Organisten ein - mehr als doppelt so viele wie bei der Premiere vor einem halben Jahr, aber beileibe nicht so viele wie zunächst erhofft.

Direkter Draht zur Himmelskönigin

Freilich bekamen die Teilnehmer die Madonna nicht unmittelbar zu Gesicht, sondern nur den Italiener Salvatore Caputa, der seit 1986 behauptet, einen direkten Draht zur Himmelskönigin zu besitzen. Dieser manifestiert sich nach seiner Darstellung in regelmäßigen Visionen, mit präziser Ankündigung von Ort und Uhrzeit. Im aktuellen Fall eben ein privates Anwesen in einem oberbayerischen 112-Seelen-Dorf wenige Kilometer westlich des größten deutschen Marienwallfahrtsortes Altötting. Um dem Ereignis beizuwohnen, nahmen einige weite Wege auf sich. Gesichtet wurden Reisebusse aus Österreich, dem Schwäbischen und aus Nordrhein-Westfalen. Das zuständige Ordinariat des Erzbistums München und Freising entsandte einen stillen Beobachter und will die Vorgänge weiter prüfen.

Die Religionsgeschichte wimmelt von Visionären, allerdings auch von falschen Propheten und nur fromm tuenden Schwindlern. Die katholische Kirche hält übernatürliche Vorkommnisse wie Heilungswunder und auch Marienerscheinungen prinzipiell für möglich, behält sich aber eine strenge Prüfung vor. Und selbst dann, wenn sie einer Privatoffenbarung Echtheit attestiert, stellt sie es ihren Gläubigen frei, dieses Urteil anzunehmen. In jedem Falle darf die damit verbundene Botschaft nicht dem Evangelium widersprechen oder der Glaubenslehre etwas hinzufügen.

Keine approbierten Marienerscheinungen in Deutschland

Anders als im Falle von Lourdes oder Fatima gibt es in Deutschland bisher keine kirchlich approbierten Marienerscheinungen. Das gilt auch für Orte wie das saarländische Marpingen oder das fränkische Heroldsbach, in denen sich im 20. Jahrhundert die heilige Jungfrau gezeigt haben soll. Caputa, ein aus Sizilien stammender 73-jähriger pensionierter Polizist, hat allem Anschein nach auch keine guten Karten. In seinem Wohnortbistum Mantua in Norditalien kam ein Gutachten schon vor mehr als 15 Jahren zum Schluss, es gebe bei ihm nichts, was objektiv für Erscheinungen spreche, manche Umstände sprächen sogar dagegen. Diesem Urteil haben sich seither auch die Bistümer Trient, Brixen-Bozen sowie Gurk-Klagenfurt angeschlossen.

Der Kärntner Bischof Alois Schwarz erteilte seit 2010 mehrfach öffentlich den Rat, "sich nicht voreilig und unbedacht in die Vorgänge" hineinziehen zu lassen und diese "auch nicht durch eine Beteiligung aufzuwerten". Dessen ungeachtet findet sich Caputa weiterhin im Halbjahrestakt auf dem Schlossberg von Bad St. Leonhard im Lavanttal zu Empfang und Weitergabe marianischer Botschaften ein. Mag auch der örtliche Pfarrer von einer Inszenierung sprechen, die mit Marienverehrung nichts zu tun habe - eine anonyme österreichische Internetseite terminiert die nächste Schau auf den 21. Oktober.

Zwischen Sorge und Respekt

Für die katholische Kirche sind solche Vorkommnisse stets eine Gratwanderung. Zur Sorge, Scharlatane könnten Leichtgläubige verführen, gesellt sich ein gewisser Respekt vor subjektiven Gefühlen und Erfahrungen, wenn sie denn der persönlichen Frömmigkeit dienen. So verspürt mancher bei Caputas Auftritten einen eigenartigen Rosenduft in der Nase.

Trotzdem stoßen Seher wie der Sizilianer auch in einem für derlei empfänglichen Milieu auf Skepsis. Maria brauche keinen Dolmetscher, schreibt ein Kritiker im Internet. Wären Caputas Visionen echt, würde er schon währenddessen zu den Anwesenden sprechen, und zwar so, dass sie es gleich verstehen könnten. Anders gesagt: Wenn Maria einem deutschen Publikum etwas mitzuteilen hätte, sollte sie in der Lage sein, dies auch in dessen Muttersprache zu tun.


Votivtafeln als Dank von Gläubigen / © Alexander Brüggemann (KNA)
Votivtafeln als Dank von Gläubigen / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Quelle:
KNA