"Aber, lieber Beethoven, was haben Sie denn da wieder gemacht!" Fürst Nikolaus II. von Esterházy und langjähriger Arbeitgeber Joseph Haydns, ist unzufrieden. Kaum ist die soeben uraufgeführte Messe am 13. September 1807 in Eisenstadt verklungen, macht der adlige Auftraggeber seinem Unmut Luft. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Doch dieses Namenstagsgeschenk für seine Gattin hatte er sich anders vorgestellt. Und Beethoven seinerseits wohl die Würdigung seiner monatelangen Arbeit an diesem liturgischen Erstlingswerk, mit dem er sich nun endlich auch an eine Mess-Vertonung gewagt hatte.
Verstimmt und wütend soll er umgehend abgereist sein und seine C-Dur-Messe für vier Soli, Chor und Orchester bei Drucklegung der Noten schließlich Fürst Kinsky gewidmet haben. Ein Vorfall, der ihm außerdem noch die Schadenfreude Johannes Nepomuk Hummels, langjähriger Hofkapellmeister im Dienste Esterházys, einbrachte. Dabei hatte sich Beethoven alle Mühe gegeben, in dieser Messe op. 86 – namentlich im Gloria – dem Haydn gewohnten und verwöhnten Fürsten auch Haydn-Zitate, beispielsweise aus dessen "Schöpfung", zu präsentieren. Schließlich begriff Beethoven zeitlebens seinen Lehrer als großes Vorbild und pries die Messen des vielerorts anerkannten Musikers als "unnachahmliche Meisterstücke".
Beethoven verteidigt seine Messe
Entsprechend groß war sein Respekt, als diesmal ihm der Auftrag – und nicht Haydn – vom fürstlichen Hofe zugesprochen wurde. Schließlich war bekannt, dass Haydn jedes Jahr eine Festmesse zu Ehren der Fürstengattin Josepha Maria Hermengild komponierte und damit gleichzeitig künstlerische Maßstäbe setzte. Beethovens Sorge erwies sich als begründet. Nicht, dass er sich nicht längst mit seinem ehemaligen Lehrer hätte messen können. Auch schätzte er selbst grundsätzlich die Messe als Kompositionsgattung und betonte später dem Verleger Härtel in Leipzig gegenüber, sie liege ihm "vorzüglich am Herzen".
Doch die Kritik Esterházys sollte Wirkung zeigen. In einem Brief an die Gräfin Henriette Zielinska legt Fürst Nikolaus sogar noch einmal nach: "Beethovens Messe ist unerträglich lächerlich und scheußlich, ich bin noch nicht einmal sicher, ob man sie ehrenhaft nennen kann. Ich bin zornig und beschämt." Doch auch Beethoven bleibt seinerseits beharrlich und verteidigt sich stolz: "Von meiner Meße wie überhaupt von mir selbst sage ich nicht gerne etwas, jedoch glaube ich, daß ich den Text behandelt habe, wie er noch wenig behandelt worden." Soweit der kolportierte Zwist unter Kunstverständigen, wie ihn glaubhaft die Chronisten überliefern.
Der Erfolg dieses Werkes stellte sich demnach erst auf Umwegen ein und das auch nur vorübergehend. Denn als Beethoven gute zehn Jahre später mit der Arbeit an seiner "Missa solemnis" beginnt, die zu seinen gelungensten Werken avancieren sollte, führt die ältere C-Dur-Messe nur noch ein Schattendasein. Dabei hat auch diese erste Messe Beethovens, die er innerhalb nur weniger Monate komponierte, eine starke musikalische Eigenkraft. Im Gesamtoeuvre Beethovens ist sie etwa zeitgleich der Entstehung seiner fünften und sechsten Symphonie zuzuordnen; also einer Phase, in der Beethoven längst auf dem Zenit seiner Schaffenskraft stand und sich bereits aus Überzeugung von rein klassischen Kompositionsschemata losgesagt hatte.
Motette von Carl Leibl
Die Domkantorei Köln unter der Leitung von Winfried Krane hat die C-Dur-Messe nun für den Saisonauftakt der neuen Reihe "Geistliche Musik am Dreikönigenschrein" gewählt, die am 15. September in die 27. Runde geht. Ergänzt wird das Programm mit der Motette "Oh Gott, mein letztes Ziel und End!" von Carl Leibl aus dem Jahr 1841. Leibl, von 1826 an amtierender Domkapellmeister an der Hohen Domkirche, hat nicht wenige Kompositionen der Nachwelt hinterlassen. Doch bis heute existiert die sogenannte Leiblsche Sammlung, deren Originale in der der Diözesan- und Dombibliothek aufbewahrt werden, weitestgehend nur in handgeschriebener Version.
Und so ist entsprechend wenig auch nur von ihr bekannt. Das heißt, dass die Autographen in mühevoller Feinarbeit für den Alltagsgebrauch umgeschrieben und gedruckt werden müssen. Vor zehn Jahren hatte Domkapellmeister Eberhard Metternich als erstes Werk die Messe Nr. 3 in Es-Dur für Soli, Chor und großes Orchester von Leibl herausgegeben. Diesmal ist es Chorleiter Krane, der dieses aufwendige Verfahren in Auftrag gegeben hat, um die handschriftlich vorliegenden Einzel- und Orchesterstimmen der Motette für seinen Chor als lesbare Exemplare zur Verfügung zu haben. "Alle Chöre am Dom – namentlich der Kölner Domchor – stehen in der Tradition von Carl Leibl", argumentiert der Kirchenmusiker. "Daher haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Chorliteratur von Carl Leibl nach und nach auf diese Weise wieder hörbar zu machen."
Information: Das erste Konzert des 27. Zyklus "Geistliche Musik am Dreikönigenschrein" mit der Domkantorei Köln und der Kölner Domkapelle unter der Leitung von Winfried Krane beginnt am 15. September um 20 Uhr im Kölner Dom. Als Solisten wirken mit: Jutta Gräwe, Sopran, Isabel Baumgartner, Alt, Maximilian Fieth, Tenor, und Phillip Langshaw, Bass. Der Eintritt ist frei.
Beatrice Tomasetti