Interventionsbeauftragter Vogt zu Abschlussbericht über Missbrauch am Collegium Josephinum

"Die Denke in den Köpfen verändern"

"Dieser Bericht stellt uns Aufgaben, die wir annehmen wollen" - Oliver Vogt, Interventionsbeauftragter des Erzbistums Köln, kündigt Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen am Collegium Josephinum an. Es gelte, jeden Fall ernst zu nehmen. 

Collegium Josephinum (bis 1997) (DR)
Collegium Josephinum (bis 1997) / ( DR )

domradio.de: Was ist denn die zentrale Erkenntnis aus der Missbrauchsstudie, die jetzt vorgestellt wurde?

Oliver Vogt (Interventionsbeauftragter im Erzbistum Köln): Die zentrale Erkenntnis ist, dass wir jetzt belegt haben, dass es in diesem Internat über Jahre und Jahrzehnte Gewalt und Missbrauch von Schülern durch kirchliche Mitarbeiter gegeben hat.

Die weitere Erkenntnis ist, dass wir aber auch wahrnehmen, dass es eine Reihe von Schülern gibt, die berichtet haben, dass sie in diesem Konvikt eine sehr glückliche und für sie sehr wichtige Zeit erlebt haben. Das heißt, wir haben nicht nur die Missbrauchsfälle, die sich dort abgespielt haben, sondern wir haben auch diejenigen, die dort eine sehr gute Schulzeit erlebt haben. Das macht auch das Besondere dieser Studie aus, die versucht hat, diese beiden Perspektiven in den Blick zu nehmen. 

domradio.de: Strafrechtlich sind die Taten, die da geschehen sind, verjährt. Was passiert denn jetzt mit den Beschuldigten?

Vogt: In dem Moment, wo wir eine konkrete Beschuldigung haben - ob sie jetzt aus dem Projekt heraus kommt oder direkt bei uns gemeldet wird - leiten wir innerkirchlich ein Verfahren gemäß der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz ein. Außerdem ziehen wir personelle Konsequenzen, bevor dann die gesamten Unterlagen an die Glaubenskongregation nach Rom weitegegeben werden.

domradio.de: Welche Konsequenzen zieht das Erzbistum aus diesem Missbrauchsbericht?

Vogt: Zum einen ziehen wir personelle Konsequenzen; in den Fällen, wo wir Beschuldigungen haben. Das ist im Moment bei zwei Priestern der Fall. Diese Verfahren haben wir schon nach Rom gemeldet. Aber es sind auch viele andere Themen, die aus diesem Bericht heraus für uns in der Zukunft eine wesentliche Rolle spielen.

Wir müssen uns immer wieder fragen: "Was müssen wir beim Thema Erziehungsstandards/Erziehungsmethoden an unseren Schulen berücksichtigen? Was lernen wir aus diesem Bericht?" Wir müssen uns fragen, welchen Herausforderungen sich in der heutigen Zeit auch die Ausbildung von Priestern stellen muss. Der Erzbischof hat bereits vor einiger Zeit eine Kommission ins Leben gerufen, die eine Neuausrichtung überlegt.

Also, dieser Bericht gibt uns an vielen Stellen Aufgaben, die wir jetzt annehmen wollen, um dazu beizutragen, dass solche Dinge nicht mehr passieren können.

domradio.de: Und nicht zuletzt gibt es ja auch Menschen wie Sie. Sie sind Interventionsbeauftrager im Erzbistum Köln. Was genau ist Ihre Funktion? 

Vogt: Meine Funktion ist, die Fälle von sexuellem Missbrauch, körperlicher Gewalt oder Übergriffigkeit zu verfolgen und zu bewerten. Es geht darum, notwendige und angemessene Hilfen für die Betroffenen zu leisten aber auch darum, die innerkirchliche Verfolgung und Bearbeitung der Vorfälle einzuleiten und durchzuführen und dafür zu sorgen, dass solche Fälle entsprechend der Vorgaben nach Rom gemeldet werden.

domradio.de: Jetzt haben viele Betroffene in diesem Fall ja gesagt: "Ich habe mich gar nicht getraut, etwas zu sagen." Wie kann denn gewährleistet werden, dass Betroffene, die sich melden, in Zukunft Gehör finden und dass deren Vorwürfe nicht vielleicht von Eltern, Lehrern oder Vorgesetzen abgetan werden? 

Vogt: Genau diese Berichte ziehen sich ja durch die Missbrauchsdiskussion seit Jahren hindurch. Es wird immer wieder davon berichtet, dass Schülerinnen und Schüler Angst hatten, den "Herrn Pastor" oder wen auch immer zu beschuldigen. Denn: "Das geht ja nicht. Der Herr Pastor macht sowas nicht."

Genau diesen Mechanismus wollen wir seit mehreren Jahren mit Maßnahmen im Bereich der Prävention hier im Erzbistum Köln durchbrechen. Wir versuchen, Menschen zu sensibilisieren. Wir versuchen, die Wege aufzuzeigen, wie man eine solche Meldung loswerden kann. Wir versuchen, Kinder und Jugendliche in Präventionsprojekten zu stärken, damit genau dieser Mechanismus nicht mehr zieht. Und letztendlich können wir diesen Mechanismus nur durchbrechen, wenn wir deutlich machen: "Wir nehmen jeden Fall ernst und verfolgen auch jeden Fall." Das tun wir. Und dadurch wird sich hoffentlich in dieser Denke, die über Jahre und Jahrzehnte in den Köpfen war, etwas verändern. 

domradio.de: Wenn sich jemand jetzt konkret an Sie wendet, was tun Sie denn dann?

Vogt: Wir versuchen zunächst, die Situation zu verstehen - das ist ganz wesentlich. Wir versuchen, einzuordnen: Wie ist dieser Vorfall zu bewerten? Was müssen wir tun? Dann ist die nächste Überlegung: Was braucht der oder diejenige, der oder die von diesem Übergriff betroffen ist? Welche Hilfen sind notwendig? Das kann eine seelsorgerische Begleitung sein, therapeutische Hilfe und eine rechtliche Beratung. Diese Fragen sind zu klären. Und letztendlich ist unsere Aufgabe dann auch, die Verfahren entsprechend der Vorgaben in die Wege zu leiten und die Beschuldigten zu den Vorwürfen anzuhören.

Das Interview führte Verena Tröster. 


Neuer Präventionsbeauftragter: Oliver Vogt / © Boecker
Neuer Präventionsbeauftragter: Oliver Vogt / © Boecker
Quelle:
DR