domradio.de: Sie beschäftigen sich bei Missio mit der Religionsfreiheit in vielen Ländern, warum ist das auch in Deutschland ein Thema geworden?
Johannes Seibel (Pressesprecher des Bischöflichen Missionswerks Missio): Wir beschäftigen uns vor allem mit der Religionsfreiheit in Afrika und Asien. Vor allen Dingen in Deutschland ist es ein Thema geworden, weil zum Beispiel durch islamistische Anschläge im Ausland, Muslime in Deutschland kritisch behandelt werden. Es gibt hier einen Zusammenhang zwischen der internationalen Entwicklung zum Thema Religionsfreiheit und der Reaktion hier in Deutschland darauf. Wir wollen aber auch, dass die Politik in Deutschland sich einsetzt für die Religionsfreiheit weltweit und deshalb haben wir die Aktion #waehltreligionsfreiheit gestartet.
domradio.de: Gibt es in Deutschland denn ein Problem mit der Religionsfreiheit?
Seibel: Ich glaube nicht, dass Deutschland ein Problem mit der Religionsfreiheit hat, hier sind wir weltweit vorbildlich aufgestellt. Das Problem ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Themas Religionsfreiheit weltweit, insbesondere was den Islamismus anbetrifft, und der Wahrnehmung in Deutschland. Wenn ein islamistischer Anschlag in Berlin, Paris oder London passiert, dann ist die Diskussion in Deutschland: Wie gehen wir mit dem Islam um? Die Terroristen in aller Welt versuchen durch diese Anschläge die Diskussion in westlichen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, zu polarisieren.
Wenn also die Menschen in Deutschland, durch diese Anschläge, sagen, der Islam sei die Brutstätte des Terrorismus und man müsse da sehr kritisch sein, können die Terroristen wiederum sagen, schaut Muslime, die wollen euch nicht in Deutschland. Das ist ein Zusammenhang, auf den, aus unserer Sicht, durch Methoden wie interreligiöser Dialog, durch den Einsatz für Religionsfreiheit weltweit, durch die Bekämpfung der Ursachen von Terrorismus, der die Religion als Begründung missbraucht, wichtig. Da ist uns auch wichtig gewesen zu fragen, wie stehen die Parteien dazu? Das ist aus unserer Sicht der Zusammenhang zwischen dem Thema Religionsfreiheit in Deutschland und dem Thema Religionsfreiheit weltweit.
domradio.de: Es werden wahrscheinlich sechs Parteien sein, die in den Bundestag einziehen werden. Welche unterschiedlichen Positionen gibt es da?
Seibel: Bei unserer Synopse sind wir von dem Maßstab ausgegangen, dass wir die Parteien genommen haben, die in den vergangenen zwei Legislaturperioden im Bundestag vertreten waren, insofern politische Verantwortung getragen haben. Die AFD haben wir aus diesem Grund nicht dabei, auch nicht die Freien Wähler oder die ÖDP. Es ging uns nämlich auch darum, was haben die Parteien in den vergangenen zwei Legislaturperioden getan und wir wollten die Parteien ansprechen, die bislang Verantwortung getragen haben. Was uns bei der Betrachtung schon überrascht hat, war, was sich geändert hat, dass sich alle Parteien wesentlich stärker als noch vor acht oder vier Jahren mit dem Thema Religionsfreiheit beschäftigen. Das lassen sie auch in Positionen ihrer Papiere einfließen.
Ein Beispiel, „Die Linke“, die in ihren Antworten gesagt hat, früher haben wir Religion als etwas Zurückgebliebenes gesehen, etwas, was bekämpft werden muss. Heute sehen wir, dass Religion etwas ist, was mit Frieden und Gerechtigkeit zu tun hat. Das Beispiel der FDP, die ja früher beim Thema Trennung von Staat und Kirche auch relativ antikirchliche Positionen eingenommen hatte, liest sich heute anders. Bei der CDU ist eine wesentlich stärkere Profilierung hin zum Schutz von Christen in Bedrängnissituationen zu beobachten. Bei der SPD merkt man ebenfalls, dass das Thema Universalität der Menschenrechte und dass da Religionsfreiheit unbedingt dazu gehört, was jetzt wesentlich deutlicher gesagt wird. Uns zeigt das, dass insgesamt in der Politik – weil ja oft gesagt wird Religionsfreiheit, bedrängte Christen, Verfolgung sei immer noch ein Tabuthema – so ein Tabuthema nicht mehr ist.
Die Parteien machen sich tatsächlich Gedanken. Womit sie sich noch schwer tun ist, auch tatsächlich konkrete Folgerungen abzuleiten. Da wäre etwa die Frage: Kann ich einem Land, das die Religionsfreiheit missachtet mit wirtschaftlichen Sanktionen drohen? Da tun sich die Parteien noch schwer, wenn es in konkrete Politik und in konkreten Einsatz umgegossen werden soll.
domradio.de: Sie stellen aber grundsätzlich erst einmal ein positives Zeugnis aus und sagen: Diese fünf Parteien, die sie da untersucht haben, die in den letzten zwei Legislaturperioden im Bundestag waren, die haben alle das Thema auf dem Schirm?
Seibel: Die haben das Thema auf dem Schirm und wissen auch, dass Religion in der internationalen Politik aber auch was den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland anbetrifft, nicht außen vorgelassen werden kann. In der jüngeren Vergangenheit gab es in Westeuropa eine Phase, in der man der Meinung war, dass Religion nicht so wichtig sei. Diese Wahrnehmung ändert sich. Die Parteien und die Politik insgesamt merken: Wenn wir internationale Politik machen wollen, wenn wir Frieden und Gerechtigkeit herstellen wollen, dürfen wir nicht länger die Religion vernachlässigen. Das ist etwas, was es vor vier und vor acht Jahren, nach meiner Erfahrung, so nicht gegeben hat.
Das Gespräch führte Matthias Friebe.
Redaktion: Christian Schlegel