Im Wahlkampf ist Entwicklungspolitik wichtiges Thema

Weg vom Brunnenbau

Marshallplan, "Compact with Africa", Weltzukunftsvertrag: Alle Parteien schmieden Pläne für die künftige Entwicklungszusammenarbeit - vor allem mit Afrika, dem "Chancenkontinent", wie er neuerdings genannt wird.

Autor/in:
Anna Mertens
Junge Unternehmer aus Afrika  - Parteien setzen mehr auf Kooperation / © Harald Oppitz (KNA)
Junge Unternehmer aus Afrika - Parteien setzen mehr auf Kooperation / © Harald Oppitz ( KNA )

Entwicklungszusammenarbeit war lange Zeit mit Aufnahmen aus fernen Ländern, trockenen Wüstenlandschaften und Brunnenbau-Projekten verbunden. 2017, im Jahr der Bundestagswahl, hat sich das Bild gewandelt. Mit der stark gestiegenen Migration und in einer medial vernetzten Welt verschwimmt Entwicklungspolitik mit innenpolitischen Fragen zu Asyl und Integration. Unterm Strich wird dem Thema neue Bedeutung beigemessen - und der Posten des Entwicklungsministers dürfte in der kommenden Legislaturperiode durchaus begehrt sein.

Der Haushalt des Ministeriums ist in den vergangenen vier Jahren mit zuletzt rund acht Milliarden Euro auf einen Höchstwert angewachsen. An den Verteidigungshaushalt von 37 Milliarden Euro reicht er aber bei weitem nicht heran.

Streit um Budget

Union, SPD, Grüne und Linke bekräftigen in ihren Wahlprogrammen das 0,7-Prozent-Ziel, das den Anteil der Ausgaben für Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen bezeichnet. Der Streit um den von der Union befürworteten Anstieg der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent ab 2018 dürfte aber die Debatte um das tatsächliche Budget anheizen.

Der amtierende Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) tritt für eine verlässliche Finanzierung seines Ressorts ein - ohne Kürzungen. Er erkämpfte sich mit Reisen und unzähligen medialen Auftritten, durchaus auch mal gegen seine eigene Parteilinie, Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und auch mit Hilfswerken pflegte er gute Kontakte. Gerne würde der große Allgäuer mit markantem Zungenschlag weitere vier Jahre seine Projekte vorantreiben.

Wirtschaftspartner werden

Müllers "Marshallplan mit Afrika", der in das Wahlprogramm der Union eingeflossen ist, erfindet die Zusammenarbeit mit dem Nachbarkontinent nicht neu, aber er zeugt von einem allmählichen Bewusstseinswandel. Die bisherige Entwicklungszusammenarbeit, so das Credo, muss überdacht werden - weg vom Brunnenbau hin zu einer wirtschaftlichen und sozialen Partnerschaft mit dem Nachbarn.

Auch aus diesem Grund hatte die Bundesregierung im Rahmen der diesjährigen G20-Präsidentschaft die Beziehungen zu Afrika zu einem Schwerpunktthema gemacht. Einerseits zur Verbesserung der Lebensumstände - andererseits aus der Sorge heraus, dass die wachsende und sehr junge Bevölkerung Afrikas den Weg nach Europa einschlägt.

Kommen nun mehr Flüchtlinge?

Bis 2050 soll Afrikas Bevölkerung sich auf rund 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln. Schon jetzt strömen jährlich 20 Millionen junge Afrikaner zusätzlich auf die Arbeitsmärkte. Eher unter geht dabei, dass der oft zitierte Kampf gegen Fluchtursachen durch bessere Lebensbedingungen erstmal die Migration fördert wie zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen.

Neben dem "Marshallplan" setzt die Union auf den "Compact with Africa". Die Initiative will private und öffentliche Investitionen in Partnerländern wie Tunesien oder der Elfenbeinküste fördern. Merkel plant bereits eine Debatte über die Afrika-Handelsbeziehungen bei EU-Gipfel im Herbst - wenn es mit der nächsten Kanzlerschaft klappt. Auch die FDP will mehr private Investitionen, fordert aber zugleich eine kritischere Auswahl der Partner.

Von der Freihandelszone zum Marshallplan

Die SPD beklagt in ihrem jüngst veröffentlichten Afrika-Papier, dass genau eine solche Vorauswahl der Kooperationsstaaten für ein neoliberales Wirtschaftsverständnis stehe und postkoloniale Abhängigkeiten eher verstärken könne. Die Sozialdemokraten schlagen stattdessen eine afrikanische Freihandelszone vor.

Die Grünen wollen ihren eigenen "Marshallplan" schreiben - mit Fokus auf ziviler Krisenprävention. Die AfD nennt das Ergebnis der bisherigen Entwicklungspolitik ernüchternd. Hilfe solle primär Hilfe zur Selbsthilfe sein und den Migrationsreiz senken.

Weniger Waffen exportieren

Für die Linken spielen auch bei der Entwicklungszusammenarbeit die Rüstungsexporte sowie die Waffenproduktion eine maßgebliche Rolle. Waffen seien Schuld an den Konflikten weltweit und damit auch für die Not der Menschen in den Entwicklungsländern. Auch die Grünen und die SPD setzen auf Abrüstung. Der amtierende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) will Deutschland gar zum Abrüstungsweltmeister machen - auch wenn die Zahlen in dem von ihm lange geleiteten Wirtschaftsressort eher auf Exportweltmeister hindeuten.

 


Bundesentwicklungsminister Gerd Müller in Äthiopien  / © Kay Nietfeld (dpa)
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller in Äthiopien / © Kay Nietfeld ( dpa )
Quelle:
KNA