Ruhig, ein wenig verträumt und gemütlich fließt die Fulda durch ihr Bett. Hier in der osthessischen Provinz am Fuldaer Dom hat sie nur wenig Gefälle und Tiefe. Ob die Betten der Bischöfe auch so schön gemütlich sind, dass sie einen ruhigen und tiefen Schlaf ermöglichen? Auf jeden Fall ist der Sitzungssaal, in dem die 67 katholischen Bischöfe bei ihrer diesjährigen Herbstvollversammlung vier lange Tage über Gott und die Welt diskutierten, ein ruhiger, abgeschiedener Ort. Als Journalist wird man durch fünf alte große Türen und viele lange Flure und Treppen geführt, bis man endlich dort ist. Seit 150 Jahren treffen sich die deutschen Bischöfe regelmäßig am Grab des Heiligen Bonifatius, um beim Apostel der Deutschen Segen und Kraft zu tanken, aber auch zu schauen, ob das Kirchenschiff auf dem Weg durch die Zeit richtig auf Kurs ist.
Vom Klimaschutz über den notwendigen Dialog mit dem Islam bis zur kirchlichen Bewertung von Terror und modernen Nuklearwaffen haben es viele aktuelle Punkte auf die Tagesordnung geschafft. Aber irgendwie wirkt doch alles ein wenig so, als laufe man hier in Fulda der Entwicklung chancenlos abgeschlagen hinterher. Nein, natürlich bekommen die leitenden Kirchenmänner jederzeit auch hier die neuesten Nachrichten aus Berlin und der Welt auf ihre Handys. Die Bischöfe und die Zeit sind nicht einfach stehen geblieben in den vergangenen 150 Jahren. Aber wer auch nur fünf Minuten im Sitzungssaal war, in dem die Bischöfe stundenlang auf ihren altertümlichen Polsterstühlen sitzen müssen, auf denen schon ihre Vor-Vorgänger von besseren Zeiten geträumt haben, der spürt, dass die Bischöfe hier viel zu weit weg sind vom Lauf der Dinge. Auch Sauerstoff wird bei den Sitzungsmarathons schnell zur Mangelware.
Der frische Wind, für den der 80-jährige Papst in Rom seit seinem Amtsantritt sorgt, ist in deutschen Landen leider immer noch bestenfalls als Lüftchen zu spüren, auch wenn die versammelten Bischöfe jeden Tag schon früh am Morgen für ihren Papst beteten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Marx, hofft zwar auf die Stärkung der synodalen Struktur, also auf mehr Selbstständigkeit der Kirche vor Ort, aber der gerade erst 64 Jahre alt gewordene Kardinal verkörpert im barocken Kirchenbau des Fuldaer Doms auch nicht unbedingt den bischöflichen Aufbruch. Auf die Frage nach der Bewertung der Bundestagswahl zeigte er, der solche Steilvorlagen eigentlich blind aufnehmen kann, sich heuer wenig angriffslustig. Noch am Morgen in der Predigt hatte er seine Mitbrüder und alle Christen dazu aufgerufen, mit Gott angstfrei in die Zukunft zu gehen. Klar, für jeden Christen ist Gott alleine Anfang und Ende. Aber ein wenig genauer hätte man schon gerne gewusst, auf welchen Kurs die Bischöfe das Kirchenschiff hier im irdischen Jammertal denn steuern wollen. Vielleicht hat man in all den letzten Jahren auch allzu eifrig nach Rom geschaut, als dass man jetzt die vom Papst eingeleitete und gewünschte Kursbestimmung und Freiheit vor Ort mutig und selbstbewusst selber anpacken könnte. Wenn aber nur eine Kirche des Exodus eine lebendige Kirche mit Zukunft ist, dann möchte man den Bischöfen den Mut zum nötigen Aufbruch gerade im 150. Jubiläumsjahr ganz besonders wünschen.
Bonifatius soll als mutiger, umtriebiger missionarischer Macher unterwegs gewesen sein, der seinen Begleitern auf seiner Glaubensexpedition durch die deutschen Lande immer wieder Beine machte. Schwer vorstellbar, dass er, der sich nicht lange an alten Zöpfen festhielt und zügig die heidnische Donareiche aus dem Weg räumte, es lange auf den gut gepolsterten bischöflichen Sitzungsstühlen ausgehalten hätte …