Im Schatten der St.-Vitus-Kirche Lette, direkt neben einem Springbrunnen, steht ein ganz besonderer Garten. Gelbe und violette Blumen, grüne Büsche und Obstbäume sind hier gepflanzt. Sie alle haben etwas gemeinsam: Sie kommen in verschiedenen Geschichten der Bibel vor.
Kathrin und ihr Sohn Lukas schauen sich hier um. Auf einem Schild vor dem Garten steht geschrieben, welche Pflanzen es zu entdecken gibt. "Ein Apfelbaum, ein Mandelbaum, ein Dornbusch, Stockrosen...oh,ein Judasbaum, Lukas!“ Kathrin deutet auf einen Baum mit lilafarbenen Blüten.
Bibel wird lebendig
"Judas war der Jünger, der Jesus verraten hat", erklärt sie ihrem 5-jährigen Sohn. "Das schöne ist hier, dass die Bibel so ein bisschen lebendiger wird und dass man diese Pflanzen wirklich anfassen kann", findet sie.
Den Bibelpfad gibt es im westfälischen Oelde seit 2015. Die Idee dazu kam von einem Gemeindemitglied, erzählt Diakon Rainer Averbeck, der dabei mithalf, den Pfad anzulegen. Wegkreuze, Kapellen und Marienfiguren, die bereits im Ort standen, wurden dafür aufgearbeitet und miteinander vernetzt, erklärt Averbeck.
"Bei jeder Station ist entweder eine Bibelstelle, die man bedenken kann oder es wird angeregt, ein Gebet zu sprechen. Man wird inspiriert, so zwei, drei Minuten an jeder Station innezuhalten."
Durch Wälder und idyllische Bauernschaften
Insgesamt ist der Bibelpfad über 25 Kilometer lang und geht vom Dörfchen Lette in die Stadt Oelde und wieder zurück. Wer ein Handy hat, kann sich über das GPS-System den Weg weisen lassen. Bei der Gemeinde gibt es aber auch einen Faltplan mit einer Karte und kurzen Erklärungen zu jeder Station. Der Pfad führt über grüne Wiesen, dichte Wälder und kleine Bauernschaften.
Laut Diakon Averbeck geht es bei dem Bibelpfad darum, "Gottes Spuren in unserem Alltag zu entdecken. Wenn ich mit dem Rad durch unsere schöne münsterländische Parklandschaft fahre, gibt es ja herrliche Fleckchen Erde und da wird einem bewusst, dass nicht alles selbstverständlich ist und irgendwer es geschaffen hat – aus unserer Sichtweise Gott.“
Wegkreuze erzählen Geschichte der Region
Einen großen Teil des Bibelpfades machen Hof- und Wegkreuze aus. Sie wurden häufig von Familien errichtet, erklärt Diakon Averbeck, als Ausdruck persönlicher Frömmigkeit. "Die Anlässe waren verschieden: Aus Dank, dass die Söhne wieder aus dem Krieg wiedergekommen sind oder es ist dort auch jemand mal umgekommen."
Hinter jedem Kreuz stecken also persönliche Geschichten und Schicksale der Familien. So wurde das Wegkreuz am Drostenhof etwa aus Dankbarkeit errichtet, dass dem 9-jährigen Sohn der Familie bei einem Bombenangriff im Februar 1945 nichts passiert war. Das Holz des Kreuzes stammte aus der zerstörten Remise, unter der das Kind verschüttet wurde.
Kathrin, die in Oelde geboren wurde, findet genau diese Geschichten interessant: "Als Kind bin ich oft an diesen Kreuzen vorbeigefahren und ich finde es jetzt schön, dass es eine Erklärung dazu gibt. So erfährt man auch ein bisschen über die Familiengeschichte."