Archäologe zum möglichen Grabfund des Heiligen Nikolaus

"Hat er seinen Namen eintätowiert?"

Es wäre eine kleine Sensation, wenn Archäologen im türkischen Demre tatsächlich das Grab des Heiligen Nikolaus von Myra entdeckt haben sollten. Doch Skepsis bleibt, wie der biblische Archäologe Dieter Vieweger im Interview betont.

Deckengemälde des heiligen Bischofs Nikolaus aus Myra in Frankreich / © Loeaus (KNA)
Deckengemälde des heiligen Bischofs Nikolaus aus Myra in Frankreich / © Loeaus ( KNA )

domradio.de: Kennen Sie die Nikolauskirche in Demre?

Prof. Dr. Dieter Vieweger (Biblischer Archäologe und Direktor wissenschaftlicher Institute in Jerusalem, Amman und Wuppertal): Ja, ich bin dort gewesen und habe sie mir angeschaut. Sie stammt aus dem 5. Jahrhundert und wurde dort bis zur Kreuzfahrerzeit auch tatsächlich als Kirche betrieben.

domradio.de: Die türkischen Forscher wollen mit Radargeräten und CT-Scannern einen Sarkophag entdeckt haben. Wie sicher sind solche Methoden?

Vieweger: Wir arbeiten selber mit solchen Methoden. Mit geophysikalischen Mitteln unter die Erde zu schauen, ist aber immer mit großer Vorsicht zu genießen. Man kann sich gerade bei der Anwendung von Georadar sehr vieles einbilden. Die Ergebnisse müssen auch erst einmal geprüft werden. Noch sollte man nicht an den Fund der Knochen des Heiligen Nikolaus glauben. Vielleicht kann man feststellen, dass man einen Sarkophag entdeckt hat. Aber ich würde sagen, man sollte erst einmal abwarten, was denn wirklich unter der Kirche in der Krypta zu finden ist, wenn es sich denn auch überhaupt um eine Krypta handelt. Es ist ein Hohlraum, den man lokalisiert hat.

domradio.de: Könnte denn noch ein unberührter Leichnam in dem Sarkophag liegen?

Vieweger: Ja. Wenn ein Sarkophag dort entdeckt wird, dann kann ein unberührter Leichnam darin liegen. Zumal es sich um eine Krypta handelt, die durch einen sehr wertvollen Fußboden verschlossen worden ist. Da unten kann also ein Sarkophag mit einem Leichnam zum Vorschein kommen. Die Frage ist nur, wer denn der Mensch ist, der dort bestattet wurde.

domradio.de: Wie wahrscheinlich ist es aus Ihrer Sicht - falls dort ein Leichnam gefunden werden sollte -,dass es sich um den Heiligen Nikolaus handelt?

Vieweger: Ich bin da sehr kritisch. Als ich dort war, habe ich festgestellt, dass es sich um eine Kirche aus dem 5. Jahrhundert handelt. Die Person des Heiligen Bischofs Nikolaus ist tatsächlich eine historische Person, die im Jahr 325 in den Konzilsakten vorkommt. Demzufolge ist er belegt. Das heißt, er gehört in das frühe 4. Jahrhundert. Wenn das so ist, dann liegen 150 Jahre zwischen seinen Lebzeiten und dem Kirchbau, zu dem auch eine Krypta zählt. Deshalb ist es sehr unsicher, dass derjenige, den die Menschen sich dort erhoffen, auch wirklich in dem Sarkophag liegt.

Und dann stellt sich noch die Frage, wie man den Heiligen Nikolaus denn nachweisen will, wenn man nur Knochen hat? Seinen Namen wird er sich wohl wahrscheinlich nicht eintätowiert haben. Deshalb wird es sehr schwierig sein, die Identität festzustellen.

Wir haben das gleiche Problem mit den Relikten des bisher angenommenen Heiligen Nikolaus, der in Bari auch untersucht wurde. Es gibt anatomische Untersuchungen, bei denen man feststellt hat, dass es ein 72-80jähriger und 1,67 Meter großer Mann war, dessen Knochen dort bestattet worden sind. Dann hat man sogar versucht, das Gesicht des Heiligen Nikolaus beziehungsweise des Menschen, der als solcher dort angesehen wird, zu rekonstruieren. Dazu ist man heutzutage schon in der Lage. Man kann aber nicht feststellen, ob diese Leiche, die dort in Bari dafür gehalten wird, tatsächlich der heilige Nikolaus ist. Wir haben aber offenbar ab jetzt zwei Bewerber um diesen Namen.

domradio.de: Was für ein Interesse haben denn überhaupt türkische Archäologen an den antiken Spuren eines christlichen Heiligen?

Vieweger: Das ist meiner Meinung nach ziemlich offensichtlich. Es handelt sich um eine wirklich gut gelungene PR-Aktion. Dazu kann man den türkischen Forschern und dem Tourismusministerium sehr gratulieren. Sie sind jetzt wieder mit etwas Christlichem positiv im Gespräch. Damit wollen sie zeigen, dass sie doch ein sehr toleranter Staat sind. Was sie allerdings nicht wirklich sind, wenn es um die Zulassung von Kirchen oder um die Eröffnung von Gemeinden für dort lebende Christen oder Besucher und Touristen geht. Da sind sie sehr restriktiv. So können sie nach außen ein gutes Bild abgeben. Wenn das dann noch der Heilige Nikolaus ist, der von Russland über Griechenland bis in die westliche Welt ganz positiv verehrt wird, dann ist er ein guter Interessenvertreter für Leute, die für ihr Land ein positives Image schaffen wollen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR