Für eine Kirche, die in Jahrhunderten denkt, sind 150 Jahre noch keine sehr große Zeitstrecke. Aber immerhin zeigt das Jubiläum: Es gab schon eine deutsche Bischofskonferenz, bevor der deutsche Nationalstaat gegründet wurde. Und das, was 1867 aus der Taufe gehoben wurde, hatte sogar noch einen Vorläufer: die erste "Versammlung deutscher Bischöfe" am 23. Oktober 1848 im Würzburger Priesterseminar.
Damals war man allerdings noch sehr weit entfernt von dem, was eine Bischofskonferenz als feste Institution ausmacht: Es gab keinen festen Tagungsrhythmus, kein Sekretariat mit eigenem Personal und Dienstgebäude, ebenso wenig gab es Kommissionen oder gar einen geschäftsfähigen "Verband der Diözesen Deutschlands" (VDD).
Aber etwas Entscheidendes prägte schon die erste Versammlung: Man führte ernsthafte Debatten, pflegte den freien Meinungsaustausch und setzte sich mit drängenden Fragen der Zeit auseinander. Und es gab im Kölner Erzbischof Johannes von Geissel einen Vorsitzenden, der die Diskussionen klug moderierte.
Einige Grundkonflikte, die das Treffen von 1848 prägten, waren auch 1867 bei der Gründung der dauerhaften Bischofskonferenz virulent, und letztlich wirken sie bis heute nach. Dazu zählt die Sonderrolle der bayerischen Bischöfe, die ab 1850 eine eigene "Freisinger Bischofskonferenz" abhielten.
Ein strukturelles Dauer-Streitthema kam 1848 auch schon zur Sprache: Einige Bischöfe schlugen vor, eine gemeinsame Zentrale der deutschen Kirche zu gründen. Dieser Vorschlag fand keine Mehrheit. Schon damals waren die Abwehrkräfte gegen alles, was irgendwie nach Zentralismus riecht, stark - und das nicht nur in Bayern.
Zu den Dauerthemen der frühen Jahre zählte auch das Verhältnis zum Staat. Die Bischöfe versuchten die Kirche aus der staatlichen Bevormundung zu lösen. Gleichzeitig sollte die Kirche durch eigene schulische Angebote, aber auch durch aktives Mitwirken im politischen Prozess einen prägenden Einfluss auf die neue Gesellschaft nehmen.
Dass 1848 erstmals die katholischen Laienvereine zu einem großen, deutschlandweiten Treffen zusammengekommen waren (dem Vorläufer der späteren Katholikentage), unterstrich das Potenzial der katholischen Kirche als gesellschaftliche Kraft im künftigen Nationalstaat.
1867 stand zusätzlich die bange Frage im Raum, wie die katholische Kirche in dem künftigen, von Preußen dominierten "kleindeutschen Reich" ihre Positionen verteidigen konnte - wo sie doch niemals eine Bevölkerungsmehrheit stellen würde, weil das katholische Österreich-Ungarn dem neuen Deutschen Reich nicht angehörte.
Alternative zur Nationalsynode
Schließlich gab es bereits im 19. Jahrhundert einen lebhaft ausgetragenen Konflikt zwischen einer römisch-zentralistischen Perspektive und dem Wunsch nach mehr nationaler Eigenständigkeit der deutschen Oberhirten. So beschloss die Versammlung von 1848 einstimmig, Pius IX. um die Einberufung einer deutschen Nationalsynode zu bitten. Der Papst lehnte die Bitte der Bischöfe ab, lobte aber ihre Zusammenarbeit. Und so schufen diese 1867 ersatzweise die "Fuldaer Bischofskonferenz" nach dem Grundsatz: Wenn schon keine Nationalsynode, dann wenigstens eine nationale Bischofskonferenz!
Vor 150 Jahren, vom 16. bis 21. Oktober 1867, tagten 20 deutsche Bischöfe und Bischofsvertreter erstmals in Fulda am Grab des Heiligen Bonifatius, des "Apostels der Deutschen". Zum Vorsitzenden wählten sie den Kölner Erzbischof Paulus Melchers. Jetzt erst wurde die Konferenz zu einer festen Institution mit einer Geschäftsordnung. Den Begriff "Statut" vermied man, um nicht den Verdacht zu erwecken, dass das neue Gremium zu viel Macht für sich reklamierte!
In der Geschäftsordnung von 1867 heißt es: "Die bischöflichen Konferenzen bezwecken nicht, den deutschen Episkopat als eine Gesamtheit zu vertreten ... oder legislatorisch tätig zu sein." Auch jetzt wollte man noch kein zentrales Sekretariat, und man legte fest, dass der Vorsitzende immer nur bis zu nächsten Sitzung im Amt bleiben sollte. Die nun auch offiziell so bezeichnete "Fuldaer Bischofskonferenz" wurde vom Vatikan anerkannt.
Ab 1869 verfestigte sich die Institution schrittweise. Die Wiederwahl des Vorsitzenden wurde per Akklamation - eigentlich satzungswidrig - eingeführt. Den zunächst beschlossenen zweijährigen Sitzungsrhythmus stellten die Bischöfe bald auf einen jährlichen um. Die Meinungsverschiedenheiten mit Rom, wo beim Ersten Vatikanischen Konzil gegen den Willen vieler deutscher Bischöfe die päpstliche Unfehlbarkeit beschlossen wurde, beschäftigten die Fuldaer Konferenz ebenso wie die drängende "soziale Frage".
Der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler hielt in Fulda flammende Reden und trieb seine Mitbrüder an, sich endlich für das verarmte Industrieproletariat einzusetzen. Auch der Kulturkampf in Preußen, wo Bismarck versuchte, die öffentlichen Wirkungsmöglichkeiten der katholischen Kirche massiv einzuschränken, erforderte regelmäßige Abstimmungen der Bischöfe.
Uneinheitlich in Krisenzeiten
Der Bedarf an Beratungen und Beschlüssen wurde in der bewegten deutschen Geschichte nicht geringer. Nur die Zusammensetzung, und auch der Name der Bischofskonferenz veränderten sich immer wieder. So waren die Bayern von 1873 bis 1919 nicht dabei. Ab 1933 hieß das Gremium "Plenarkonferenz der deutschen Bischöfe", ab 1939 gar "Plenarkonferenz der Bischöfe der Diözesen Großdeutschlands". Die Haltung der Oberhirten zur Weimarer Demokratie und zur Rolle der Zentrumspartei war uneinheitlich, die Debatten mitunter heftig.
Keine klare Linie gab es zur NS-Herrschaft. Der von 1920 bis 1945 amtierende Vorsitzende, der Breslauer Kardinal Adolf Bertram, beschränkte sich meist auf nichtöffentliche Formen des Protests gegen die mörderischen Gewalttaten der Nazis. Andere wie der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen riskierten mehr und nahmen hörbar Stellung.
Nach dem Krieg führte bis 1965 wieder ein Kölner Erzbischof die Bischofskonferenz an: Unter Leitung von Kardinal Josef Frings kamen zunächst alle - auch die bayerischen und die mitteldeutschen Oberhirten - alljährlich zusammen. Doch der Kalte Krieg erreichte bald auch Fulda. Nach der Abriegelung der DDR-Grenze 1961 konnten die Ordinarien aus dem Osten nicht mehr dorthin reisen.
Eine eigene Konferenz der ostdeutschen Bischöfe (Berliner Ordinarienkonferenz) gab es bereits seit 1950. Im Jahre 1976 - nach der Neuordnung der ostdeutschen Jurisdiktion mit der Einsetzung von Apostolischen Administratoren in Erfurt, Magdeburg, Schwerin und Görlitz - erfolgte dann die Aufwertung zur "Berliner Bischofskonferenz", die erst nach dem Fall der Mauer wieder in der Deutschen Bischofskonferenz aufging. In der Amtszeit des damaligen Vorsitzenden, des Mainzer Bischofs Karl Lehmann, wurden schließlich auch die Bistumsgrenzen in der ehemaligen DDR neu geordnet.
Erst in den 1950er Jahren begannen die vom Wirtschaftswunder profitierenden Bischöfe mit dem Aufbau einer zentralen Verwaltungseinheit der Bischofskonferenz. Trotz mancher Bedenken wurde in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn ein dauerhaftes Sekretariat eingerichtet, man setzte Kommissionen für einzelne Themenbereiche ein, Personal wurde eingestellt.
Mit dem Konzilsdekret "Christus Dominus" (1965) erhielten dann die Bischofskonferenzen in aller Welt eine stärkere Stellung innerhalb der Kirchenhierarchie. 99 Jahre nach der Geschäftsordnung von 1867 gaben sich die deutschen Bischöfe am 2. März 1966 ein entsprechendes Statut.
Verbindliche Normen
Nun war die Deutsche Bischofskonferenz "der mit Gutheißung des Apostolischen Stuhles gebildete Zusammenschluss der Bischöfe der deutschen Diözesen ... zum Studium und zur Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben, zu gegenseitiger Beratung, zur notwendigen Koordinierung der kirchlichen Arbeit und zum gemeinsamen Erlass von Entscheidungen". Zwei Jahre später folgte die Gründung eines eigenen geschäftsfähigen Rechtsträgers unter dem Namen "Verband der Diözesen Deutschlands" (VDD).
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz - derzeit der Münchner Kardinal Reinhard Marx - ist zugleich auch Vorsitzender der VDD-Vollversammlung. Seit 1966 ist die Bischofskonferenz also bundesweit handlungsfähig und beschließt auch verbindliche Normen für alle Mitglieder. Nicht zuletzt nach dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals seit 2010 zeigte sich, wie notwendig ein bundesweit einheitliches Handeln der Bischöfe manchmal sein kann.
Seit 2013 regiert in Rom mit Franziskus ein Papst, der offenbar gewillt ist, den nationalen Bischofskonferenzen noch mehr Eigenständigkeit sowie bessere Mitwirkungsmöglichkeiten an der Leitung der Weltkirche einzuräumen. Unter ihm scheinen im Vatikan die Vorbehalte gegen die vergleichsweise junge Zwischenebene in der Kirchenhierarchie abzunehmen.
Konflikte zwischen Rom und den nationalen Bischofskonferenzen sind seither seltener geworden. Die Skepsis einzelner Bischöfe gegen eine drohende Einschränkung ihrer Autonomie zugunsten der Bischofskonferenz wird es freilich weiterhin geben. Doch zur strikt anti-zentralistischen, vom Geist des Provisoriums geprägten Geschäftsordnung der Fuldaer Bischofskonferenz von 1867 würden auch sie nicht mehr zurückkehren wollen - sie wäre einfach nicht mehr zeitgemäß.