Katholischer Medienkongress: Ruf nach lauter kirchlicher Stimme bei digitaler Entwicklung

"Der Fortschritt ist ein Experiment"

Dürfen wir alles, was wir können? Der Katholische Medienkongress in Bonn spürte zwei Tage lang den gesellschaftlichen Herausforderungen in der digitalen Welt nach. Eine Erkenntnis: Seid wachsam - doch fürchtet Euch nicht.

Autor/in:
Leticia Witte
Reinhard Kardinal Marx, Christiane Florin und Timotheous Höttges / © Harald Oppitz (KNA)
Reinhard Kardinal Marx, Christiane Florin und Timotheous Höttges / © Harald Oppitz ( KNA )

Was wollen wir: Digitalisierung um jeden Preis - oder mit Verantwortung? Und wie geht das? Zwei Tage lang beschäftigten sich rund 300 Teilnehmer auf dem Katholischen Medienkongress in Bonn mit den großen Fragen rund um die gesellschaftliche Herausforderungen in einer immer digitaleren Welt. Da konnte die Aus- und Weitsicht auf den nahen Rhein nicht schaden. Mit dabei waren neben zahlreichen Kirchenvertretern unter anderem Bild-Chefredakteurin Tanit Koch, Telekom-Chef Timotheus Höttges und Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof.

Hass und Hetze im Internet, klassische versus soziale Medien, die Flut an Daten, die "Macht der Maschinen": Die Stimme der Kirche in diesen Debatten ist offenbar willkommen. "Ich würde mir die Kirche noch lauter wünschen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges. Die Kirche solle sich deutlich einmischen - auch mit ihrer Morallehre.

Kardinal Marx: Wach sein - ohne Angst

Auf dem Kongress tat das der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx. Er verteufelte digitale Entwicklungen nicht - pochte aber darauf, dass dabei die Menschen nicht zu kurz kommen dürften. Und verwies darauf, dass Maschinen schon einige Leute um ihre Arbeitsplätze gebracht hätten. Sein Fazit: "Die Zukunft ist spannend. Es gilt, wach zu sein. Aber ohne Angst."

Auch Medienbischof Gebhard Fürst rief zu einer offensiven Auseinandersetzung mit den Folgen des digitalen Wandels auf. Dabei solle Kirche die "Deutungshoheit über digitale Entwicklungen" nicht nur anderen Gruppen überlassen. Es gelte, sich "möglichst kompetent" einzubringen, ohne in Kulturpessimismus zu verfallen.

Aufruf an die katholischen Publizistik

Allerdings: Als Themen, "die unserer wachsamer Aufmerksamkeit bedürfen", nannte Fürst die Datensammelwut von Konzernen im Internet oder "Hass und Verrohung" bei der Kommunikation im Netz. Kirche könne sich etwa bei der Entwicklung eines angemessenen Jugendmedienschutzes engagieren. Zu fragen sei allerdings auch, wo kirchliche Publizistik möglicherweise hinter den Erwartungen zurückbleibe.

Zum Beispiel solle sie mehr auf junge Leute zugehen, sagte Lenja Hülsmann, Stipendiatin der Katholischen Journalistenschule (ifp). Auch der Chef des Herder Verlages, Manuel Herder, blickte auf eben diese Generation, als er sagte, neue Autoren im Verlagsprogramm könnten neue Leserschaften erschließen. Die katholische Publizistik muss aus Herders Sicht selbstbewusster werden und mutlose Schwarzseherei hinter sich lassen. Man dürfe nicht denken: "Uns will keiner mehr." Denn die Werte, für die das Christentum stehe, würden nachgefragt und seien modern.

Gehör finden als Herausforderung

Ähnlich sah es der Geschäftsführer des Katholischen Medienhauses in Bonn, das den Kongress ausrichtete, Theo Mönch-Tegeder: "Es ist nicht so, dass Leute kein Interesse an Religion haben." Aber: Nicht immer stimme die Kommunikation. Man müsse schneller lernen, von einzelnen Interessengruppen und ihren Bedürfnissen her zu denken.

Der Münchner Medienethiker Alexander Filipovic wünschte sich außerdem mehr "zivilgesellschaftlichen Widerstand" gegen mögliche negative Folgen der Digitalisierung. Zugleich beklagte er, dass die Politik Fragen des digitalen Wandels immer noch vergleichsweise stiefmütterlich behandle. Für viele Medien sei die Herausforderung, angesichts einer immer größeren Vielfalt mit den eigenen Beiträgen noch Gehör zu finden, ergänzte der Chefredakteur des "Tagesspiegel", Lorenz Maroldt.

Kirchhof: Maschinen ohne Ethos

Gehör gefunden haben die Träger des Katholischen Medienpreises, der am Montagabend verliehen wurde: die Journalisten Jeanne Turczynski, Claas Relotius und Christina Fee Moebus. Ihre Beiträge etwa zu Spätabtreibungen oder zu Waisenkindern auf der Flucht wurden nicht nur beachtet, sondern haben sogar einiges bewirkt - etwa, dass die Kinder eine Pflegefamilie gefunden haben.

Damit es in der "Klassentreffen"-Atmosphäre der katholischen Medienszene auch ja nicht zu heimelig wurde, bemühte sich Jurist Kirchhof am Abschlusstag, noch ein wenig Wasser in den Wein der Digitalisierung zu kippen: Wir müssten uns auf das Individuum und seine Grundrechte besinnen. Und: Der digitale Fortschritt sei ein Experiment. "Die Maschine hat kein Ethos."


Quelle:
KNA