domradio.de: Überrascht Sie diese Umfrage, dass über 90 Prozent der Deutschen dafür sind, dass die Läden an Heiligabend dicht bleiben?
Bruder Paulus Terwitte (Kapuzinerpater und Medienethiker): Ja, mich überrascht es positiv, wenn so viele Menschen sagen, dass sie an Heiligabend nicht mehr in die Geschäfte gehen müssen. Man sieht ja eigentlich immer Leute, sobald die Geschäfte offen sind.
domradio.de: Spannend ist auch die Geschlechterverteilung der Umfrageergebnisse. Von den Frauen sind es fast 100 Prozent, die dafür sind, dass an Heiligabend die Läden dicht machen – die Männer sind da verhaltener und doch schon etwas mehr für die Öffnungszeiten an Heiligabend. Woran mag das liegen?
Bruder Paulus: Ich glaube, es gibt immer noch eine gewisse Rollenverteilung. Vielleicht wird den Männern schneller langweilig bei so vielen Feiertagen zu Hause. Frauen haben ein feineres Gespür dafür, dass freie Tage in der Familie der Beziehungspflege und der Ruhe dienen können.
domradio.de: Nach Meinung der Geschäftsinhaber kurbelt der Umsatz die Wirtschaft an. Warum sollten also die Geschäfte an Heiligabend dicht bleiben – da kommen ja auch noch zwei Weihnachtsfeiertage, die für die Familie ausreichen müssten?
Bruder Paulus: Feste dienen dazu, die Normalität zu unterbrechen. Gerade im Hinblick auf die vielen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die an diesem Sonntag arbeiten müssen, ist die Ladenschließung sinnvoll. Der Samstag vor dem vierten Advent wird der umsatzstärkste Tag sein. Davon bin ich überzeugt.
Ich kann mir vorstellen, dass die Menschen dahingehend aber ein feines Gespür haben. Wir brauchen den Rhythmus von Arbeit und Ruhe; von Geschäftigkeit und Entspannung.
Die sechs Tage der Adventswoche sind dafür da, geschäftig zu sein. Dann kommt der Sonntag, an dem man dieses Jahr auch mal entspannt auf Weihnachten zugehen kann.
domradio.de: Und wie feiern Sie Heiligabend?
Bruder Paulus: An Heiligabend fahre ich nach Koblenz und feiere dort im Seraphischen Liebeswerk – einem Kinderheim – eine Stallweihnacht am Nachmittag. Darauf freue ich mich sehr.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.