Hamburgs Bischöfin Fehrs für ökumenischen Dialog

"Reden wir miteinander"

Es ist keine Stadt wie jede andere, deshalb sieht auch das Christentum in Hamburg anders aus als im Rest der Republik. Wie sich dies in ökumenischer und interreligiöser Hinsicht ausprägt, erklärt Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs.

Bewegung in der Ökumene / © Paul Sklorz (KNA)
Bewegung in der Ökumene / © Paul Sklorz ( KNA )

domradio.de: Hamburg ist anders als andere Städte, auch was die Ökumene betrifft. Wie ist bei Ihnen das Miteinander?

Kirsten Fehrs (Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Nordkirche im Sprengel Hamburg und Lübeck): Sehr gut. Das beginnt damit, dass wir in einem Haus arbeiten, dass von allen christlichen Kirchen in der Stadt gemeinsam gebaut wurde und auch betrieben wird. 20 Mitgliedskirchen der christlichen Community. 

Kirsten Fehrs / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Kirsten Fehrs / © Renardo Schlegelmilch ( DR )

Es gibt also eine Ökumene nicht nur allein mit der römisch-katholischen Kirche, sondern auch mit Methodisten, Orthodoxen oder Aleviten in einem Verbund. 

Wir sind Christen in dieser Stadt, und verkünden unsere Botschaft in die Moderne hinein. Das passiert im Einvernehmen und hat auch einen starken friedensethischen Aspekt. 

Hamburg ist eine Stadt mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen, da haben wir einen Auftrag des Friedensdienstes und der sozialen Gerechtigkeit – und das gemeinsam. Diese interreligiöse und ökumenische Bindung hat eine besondere Wirksamkeit hier in Hamburg.

domradio.de: Das Jahr 2017 haben die Kirchen ökumenisch als gemeinsames Christusfest begangen. Hat dieses Jahr für die Kirchen in Hamburg etwas verändert?

Fehrs: In dieser Stadt waren Reformation und Reformationstage schon immer ökumenisch geprägt, insbesondere die vergangenen Jahrzehnte. 1973 hat der erste Kardinal auf einer Hamburger Kanzel zum Reformationstag gepredigt. 

Der Inhalt von Reformation hat für uns nicht mehr viel mit konfessioneller Abgrenzung zu tun, sondern markiert, dass schon immer gesellschaftliche Veränderungen stattgefunden haben. Die Reformation hat die Aufklärung ermöglicht. In Hamburg ganz besonders. Bildungswesen, Armenfürsorge, Friedhofswesen. 

Die Stadt wurde von je her stark durch das Reformationsgeschehen verändert. Im Jahr 2017 merken wir, dass Ökumene hier schon lange gelebt wird. Wir haben unsere Unterschiede, die sind es auch wert benannt zu werden, aber sie trennen uns nicht. Wir können nur gemeinsam für unsere Stadt wirken.

domradio.de: Gibt es bei diesem Miteinander auch Reibungspunkte?

Fehrs: An der Basis ist das vor allem eine Sehnsucht. Am Ostermontag hatten wir einen großen ökumenischen Gottesdienst im Mariendom. Erzbischof Heße hat einen Kopten und mich, als evangelische Bischöfin, predigen lassen. Das war eine Geste der Großzügigkeit. Der Dom war rappelvoll. 

Die Stadtgemeinschaft hat das als wichtiges Signal empfunden, dass die Christen in den Zeiten, wo die Unterschiede für viele gar nicht mehr klar nachvollziehbar sind, das gemeinsame feiern, würdigen und den Glauben in die Welt tragen. Das Signal nehme ich mir mit in die Zukunft.

domradio.de: Trotzdem leben die Christen in Hamburg in der Minderheit. 27 Prozent Protestanten und 10 Prozent Katholiken. Wie wichtig ist es da ein gemeinsames Signal zu setzen?

Fehrs: Wir sind als evangelische Kirche die größte Konfession. Nicht nur die Katholiken leben in Minderheit, auch die vielen anderen Kleingruppen. Deshalb ist es uns wichtig, dass hier eine Ökumene in Gemeinschaft gelebt wird. Wir wollen breit fächern, auch mit Auslandsgemeinden. 

Wir haben hier in der Stadt 250 Glaubenskongregationen aus aller Welt. Die zu verbinden sehe ich als große Verantwortung der evangelischen Kirche, auch als Bischöfin. Das betrifft auch den Dialog über das Christentum hinaus. Auch da bemühen wir uns mit Juden, Muslimen oder Buddhisten in Kontakt zu sein, und das gleiche Zeichen der Gemeinschaft zu setzen. Wir sind verantwortlich für ein Miteinander der Religionen, das in dieser Gesellschaft heute wichtiger ist, denn je.

Man kann es nicht verschweigen: Viele sehen Religion als Teil des Problems, des Extremismus, der mit den Religionen selbst nichts zu tun hat. Wir als Religionen in Hamburg sagen: Wir sind Teil der Lösung. Wir haben einen tiefen friedensethischen Kern, der uns verbindet. 

Das interkonfessionell wie interreligiös immer wieder zu betonen, dass wir für die soziale Gerechtigkeit und den Frieden in der Stadt einen Auftrag haben, das ist mir ein ganz besonders wichtiges Anliegen.  

domradio.de: Ein Beispiel für die ökumenische Zusammenarbeit ist das „Hamburger Modell“ des Religionsunterrichtes. Ein interkonfessioneller Unterricht in evangelischer Trägerschaft. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Fehrs: Wir haben hier kein ökumenisches Modell, sondern ein interreligiöses Modell. Das liegt begründet in dieser besonderen Metropole, in der sich schon lange Jahrzehnte andere Religionen und Kulturen gefestigt haben. 

Wir haben Stadtteile, in denen muslimische Bürgerinnen und Bürger in einer großen Zahl vorhanden sind, und viel weniger Christen leben. In diesem Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung geht es uns darum im Bekenntnis des eigenen Glaubens auch die anderen Religionen kennenzulernen.

Das ist seit über 20 Jahren ein Erfolgsmodell mit einer sehr geringen Abmeldequote. Es hat sich verstetigt als Religionsunterricht bei dem auch muslimische, jüdische, eine Zeit lang buddhistische Gruppen alles in die Lehrpläne einbringen können und konnten, was ihnen wichtig war. 

Wir halten in einem Klassenverband die Religionen zusammen und üben den Dialog, damit wir die Position eines Andersgläubigen genau so kennenlernen, wie das, was meine eigene Religion ausmacht. Ich lerne oft erst im Unterschied meine eigene Identität kennen. Dieses Modell ist hier in Hamburg ausgesprochen erfolgreich.

domradio.de: Nun ist Religionsunterricht nicht nur Wissensunterricht, sondern Bekenntnisunterricht. Was bedeutet das zum Beispiel für die katholischen Schüler in Hamburg?

Fehrs: Die katholische Kirche hat sich hier in Hamburg noch mal in besonderer Weise entwickelt. Zunächst hatte man katholische Schulen, bis man merkte, dass es auch an anderen Schulen katholische Schülerinnen und Schüler gibt. Daraufhin wurde ein konfessionsgebundener Unterricht eingeführt, bekenntnisorientiert katholisch. 

Allerdings hat sich dieses Modell bei uns über die Jahre nicht durchgesetzt, weil alle anderen Kinder im Klassenverband unterrichtet wurden. Wenn evangelische und katholische Schülerinnen und Schüler gemeinsam lernen, dann verstehen sie vor allem, was Christentum im Verhältnis zu anderen Religionen bedeutet. Diese Unterschiede genau zu markieren ist eine ganz starke identitäts-stiftende, aber auch bekenntnis-stiftende Idee.

domradio.de: Zum Schluss ganz simpel und plakativ: Was können sich die Christen im Rest des Landes von Hamburg abgucken?

Fehrs: Ich glaube, dass es einen bewussten Wunsch und bewussten Auftrag geben muss die Ökumene zu leben. Netzwerkarbeit ist richtige Arbeit. Das kommt nicht von alleine, und die Leute denken sich das nicht im stillen Kämmerlein aus. 

Man muss zu den Menschen hingehen und Orte des Gespräches finden, ob es ökumenisch oder interreligiös ist. Reden wir miteinander! Ich glaube, dass Ökumene manchen oft so vorkommt, dass zufällig ins Gespräch kommt. 

Auch im EKD-Rat suchen wir gezielt Kontaktflächen zwischen evangelischen und katholischen Christen, wo wir sehr genau sagen: Es geht uns um Themen, die wir gemeinsam in diese Gesellschaft tragen müssen. Wir haben den Auftrag, werteorientiert mit den Menschen zu reden. 

Das alles können wir nur mit einer bewussten gemeinsamen Plattform tun. Das geht nicht zufällig. Hier in Hamburg nehmen wir uns vor im Gespräch miteinander zu bleiben, auch wenn es manchmal schwierig wird. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Evangelische Nordkirche

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) ist der Zusammenschluss der früheren Nord-Elbischen Kirche, der Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Kirche. Sie wurde am Pfingstsonntag 2012 gegründet und ist damit die bundesweit jüngste Landeskirche. Ihr Gebiet umfasst Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Teile Brandenburgs.

Lübecker Marienkirche  (shutterstock)
Quelle:
DR