Allerheiligen oder Halloween. Advent als Vorbereitung auf Weihnachten oder als stärkste Konsumphase des Jahres. Wer drückt dem Jahr den Stempel auf? Über Jahrhunderte haben die christlichen Kirchen mit ihren Feiertagen und Festkreisen den Takt des Jahres bestimmt. Der Sonntag als erster Tag der Woche, der November als Monat des Totengedenkens, der Advent als Zeit der Besinnung und der Vorfreude auf das Weihnachtsfest. Wie sehr diese Uhr aus dem Takt geraten ist, zeigt sich in diesen Tagen: "Ein Trend aus Amerika erobert Europa schneller als Halloween", analysiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" den Hype um den Black Friday und den Cyber Monday.
Vom "Black Friday" zum "Cyber Monday"
Am Freitag war in den USA der Tag der schwarzen (Geschäfts-)Zahlen und der Schnäppchenjäger, berüchtigt für lange Schlangen vor den Geschäften und raufende Kunden, die sich um die besten Sonderangebote reißen. Seit den 1930er Jahren gilt der Black Friday in den Staaten als Auftakt zur Weihnachtseinkauf-Saison. Der Tag nach Thanksgiving, dem Erntedankfest, dem letzten Donnerstag im November, ist dort ein Brückentag und gehört deshalb zu den konsumträchtigsten im ganzen Jahr. Weil immer mehr US-Bürger im Internet kaufen, wurde der Konsumrausch inzwischen auf den "Cyber Monday" ausgedehnt.
Schnäppchen im Einzelhandel, Sonderangebote im Internet: Auch in Deutschland spielen die aus den USA importierten Aktionstage - auch ohne Thanksgivingday - zunehmend eine Rolle. 2006 führte Apple hierzulande die erste Black-Friday-Rabattaktion durch, um unter anderem den Verkauf des iPods anzukurbeln. Auch der Internetkonzern Amazon sorgt dafür, dass sich die neuen Konsum-Festtage etablieren. Der Branchenverband HDE prognostiziert für beide Tage zusätzliche Einnahmen von 1,7 Milliarden Euro.
Konsum bestimmt Lebensrhythmus
Black Friday, Cyber Monday - für Margot Käßmann sind diese Aktionstage "inhaltsleerer Schwachsinn". In der "Bild am Sonntag" erinnert die ehemalige evangelische Bischöfin daran, dass "in der Tradition unseres Landes" am Sonntag der Toten- oder Ewigkeitssonntag gefeiert wurde - nach Allerheiligen, Allerseelen, dem Volkstrauertag und dem Buß- und Bettag der Abschluss der stillen Tage im November. "Wir entfernen uns immer mehr von unseren Wurzeln", so Käßmanns Diagnose. "Das Leben wird vom Konsum bestimmt, und der Markt schafft die Lebensrhythmen."
Zuvor hatte insbesondere die evangelische Kirche kritisiert, dass in diesem Jahr die Weihnachtsmärkte wegen der kurzen Adventszeit bereits vor dem Totensonntag geöffnet haben. Nach alter christlicher Tradition soll der Weihnachtsschmuck erst nach diesem Tag aufgestellt werden.
Wichtigste Zeit für den Einzelhandel
Nach den Worten von Käßmann setzt sich diese Entwicklung auch im Advent fort. Die immer wieder neu aufkommende Diskussion über verkaufsoffene Adventssonntage verdeutlicht den Streit darum, wer dem Jahr seinen Stempel aufdrückt: Für den deutschen Einzelhandel ist jetzt die wichtigste Zeit des Jahres. Eine Umsatzsteigerung von drei Prozent auf 94,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr erwartet der Branchenverband HDE. "Die konjunkturellen Rahmenbedingungen sind gut. Das Weihnachtsgeschäft wird auch in diesem Jahr ein entscheidender Umsatzbringer für viele Einzelhändler", erklärt HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Das gelte vor allem für den Innenstadthandel, den Online-Handel und besonders geschenkaffine Branchen.
Für Käßmann ist der Advent dagegen eine Zeit "der Vorfreude und des Wartenkönnens" auf Weihnachten - und nicht eine Zeit der sofortigen Erfüllung von Konsumwünschen. "Rhythmen schenken Lebensqualität", schreibt sie. "Unser Land braucht doch auch eigene gemeinsame Traditionen."