"Hierdurch wäre gewährleistet, dass sich Schutzsuchende nicht in die Hände von Schleppern und Schleusern und auf einen der lebensgefährlichsten Wege nach Europa begeben müssten", sagte Kardinal Woelki zur Ansiedlung von Flüchtlingen in der EU. Er äußerte sich beim Jahresempfang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des Kommissariats der Deutschen Bischöfe in Brüssel. Zudem teile die Kirche "voll und ganz" das Ziel der Kommission beim europäischen Asylsystem, für eine faire und gleichmäßige Verteilung der Schutzbedürftigen innerhalb der EU zu sorgen, so der Erzbischof.
Wichtig sei jedoch, auf dem Weg dorthin die aktuelle Lage und die Schutzsuchenden selbst nicht aus dem Blick zu verlieren. "Nach den Erfahrungen, die ich in vielen Gesprächen sammeln konnte, kann eine Verteilung nur dann funktionieren, wenn sie von den Betroffenen akzeptiert wird", sagte Woelki. Es sei deshalb "unerlässlich", die Bedürfnisse der Schutzsuchenden in die Entscheidung einfließen zu lassen.
Woelki: Langer Atem notwendig
Woelki rief dazu auf, möglichst "schnell" zu einer gemeinsamen Rechtsanwendung im Bereich Asyl in Europa zu gelangen. "Für das Ansehen der Europäischen Union und für unser Selbstverständnis als gemeinsamer Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem die Grund- und Menschenrechte geachtet werden, ist dies unerlässlich", sagte er. Ihm sei aber bewusst, dass es hierzu eines langen Atems und intensiver Debatten bedürfe. "Dass die politische Klasse der Bundesrepublik aktuell im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt ist, begünstigt diese Entwicklung nicht", so Woelki.
Die EU-Kommission hatte im Juli ein Neuansiedlungsprogramm angekündigt, mit dem bis Oktober 2019 insgesamt 50.000 Flüchtlinge besonders aus nordafrikanischen Staaten legal in die EU einreisen können. 16 Mitgliedsstaaten haben sich inzwischen bereit erklärt, 34.400 Menschen aufzunehmen. Deutschland hat sich noch nicht geäußert, wieviele Menschen es aufnehmen will.
Woelki: Kritik an geplanter Asylrechtsreform
Kardinal Woelki kritisierte die EU-Pläne zur Reform des Asylrechts: "Würden die Vorschläge zur sogenannten Dublin-IV-Verordnung umgesetzt, würde der Zugang zu einem Asylverfahren innerhalb der EU erheblich erschwert werden." Zunächst solle nämlich geprüft werden, "ob nicht ein anderer Staat für die Schutzgewährung zuständig sein könnte", führte der Kardinal laut Manuskript an.
Es werde auch darüber nachgedacht, die Kriterien für sogenannte sichere Drittstaaten erheblich aufzuweichen. "Man mag sich kaum ausmalen, welche Transitstaaten künftig als sichere Drittstaaten angesehen werden könnten und in die dann viele Schutzsuchende zurückgeführt werden könnten", erklärte Woelki. Ärmeren Ländern könne man in dem Fall kaum noch vermitteln, "wieso sie sich um Flüchtlinge kümmern sollen, wenn es schon das reiche Europa nicht tut", hieß es laut Manuskript in dem Vortrag.
Die Dublin-Verordnung der EU regelt, welches Land für die Prüfung von Asylanträgen zuständig ist. Sie wird gerade reformiert. Die EU-Regierungen und das Europaparlament bearbeiten dabei den von der EU-Kommission vorgelegten Reformentwurf.
EKD: Stimme der Kirchen hat Gewicht in der EU
Der Bevollmächtigte für die Europäische Union der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Dr. Martin Dutzmann, sagte zur Stellung der Kirchen in der EU-Politik: "Was wir sagen wird sehr aufmerksam gehört, das stellen wir immer wieder fest. Gerade auch wenn es um die Flüchtlingsfrage geht."
Katrin Hatzinger, Leiterin der EKD-Dienststelle in Brüssel, bestätigte das: "Das ist ein wechselseitiges Miteinander. Immer wieder lädt die EU uns als Kirchen ein, um über die Zukunft der Union zu diskutieren." Umgekehrt gehe die EKD aber auch auf Politiker zu: "Im Moment besonders bei der Debatte um die Reform des europäischen Asylsystems. Bei der Aufnahme der der Flüchtlinge machen viele Länder die Schotten dicht. Wir versuchen als Kirchen darauf hin zu wirken, dass auch die Stimme der Flüchtlinge hier Gewicht findet."