London bekommt erstmals eine Bischöfin: Sarah Mullally (55), bislang anglikanische Bischöfin von Exeter, wird die Nummer drei der Kirche von England. Die verheiratete Mutter zweier Kinder wurde am Montag zur Nachfolgerin von Richard Chartres (70) ernannt, der Anfang 2017 in den Ruhestand getreten war. Als 133. Bischof von London ist die frühere Krankenpflegerin die höchstrangige Frau in der Geschichte der anglikanischen Staatskirche.
Der Posten ist nicht irgendeiner. Der Bischof von London ist nicht nur die Nummer drei der Kirchenhierarchie nach den Erzbischöfen von Canterbury und York. Als einer von fünf "Geistlichen Lords" ist er geborenes Mitglied des Oberhauses. Zudem ist der Bischof von London auch Dekan der rechtlich eigenständigen königlichen Kapellen - was ihm einen privilegierten Zugang zur Royal Family gibt. Wegen dieser Nähe wird er auch als "the King's bishop" bezeichnet.
An den Rand der Spaltung
Ziemlich genau ein Vierteljahrhundert dauerte es, bis eine Frau jetzt die zweitoberste Stufe der Karriereleiter in der Kirche von England erklommen hat. Im November 1992, vor 25 Jahren, beschloss die Generalsynode die Zulassung von Frauen zum Priesteramt - mit einer hauchdünnen Mehrheit. Die Freigabe des Frauenpriestertums führte die Kirche an den Rand der Spaltung; der Beschluss löste eine regelrechte Abwanderungswelle zum Katholizismus aus. Damals konvertierte sogar Mullallys Amtsvorgänger, Bischof Graham Leonard (1921-2010) von London; er wurde einfacher katholischer Pfarrer.
Der Beschluss ist heute längst unumkehrbar. Inzwischen ist bereits jeder dritte anglikanische Geistliche in England weiblich. 2014 wurden Frauen auch zum Bischofsamt zugelassen. Nach der Ernennung zweier Weihbischöfinnen wurde Mullally im Juli 2015 in Exeter die erste Diözesanbischöfin der englischen Kirchengeschichte.
"Höchste Zeit"
Erzbischof John Sentamu von York hatte im Januar 2015 bei der Bischofsweihe der ersten Weihbischöfin Libby Lane gesagt, es sei "höchste Zeit für Frauen im Bischofsamt". Schon seit dem frühen Christentum seien Frauen "das Rückgrat der Kirche", "unentdeckt, unbesungen und unschätzbar". Bereits in wenigen Jahren werde man sich fragen, wie man je ohne Bischöfinnen habe auskommen können.
Für diese späte Frauenförderung nahm die liberalere Mehrheit der Anglikaner eine deutliche Eintrübung in der Ökumene in Kauf. Viele katholische Bischöfe, vor allem aber Kirchenleitungen der orthodoxen Welt waren "not amused", es nun auch in der anglikanischen Mutterkirche von England mit Bischöfinnen zu tun zu bekommen. Sie sehen darin einen Bruch der Tradition.
Veränderungen in der Royal Family
Die neue Hauptstadtbischöfin hat gleich genügend Baustellen. Und es entbehrt nicht einer gewissen Symbolik, dass Mullally über 35 Jahre als Krankenpflegerin im britischen Gesundheitssystem NHS gearbeitet hat, zuletzt bis 2004 als Leiterin Pflege im Gesundheitsministerium.
Da ist zunächst natürlich der "Brexit", der London in den kommenden Jahren noch viel Kopfschmerzen bereiten wird. In der Royal Family stehen Veränderungen an: eine Hochzeit am 19. Mai auf jeden Fall, Taufen womöglich - aber hoffentlich sobald keine Todesfälle. Immerhin ist die Queen 91 und ihr Gemahl Prinz Philip schon 96 Jahre alt.
Geist und Körper
Ein potenzieller Pflegefall ist die anglikanische Kirche selbst; innerlich zerstritten über Fragen der Kirchendisziplin, nicht zuletzt die Frauenfrage, aber auch den pastoralen Umgang mit Homosexuellen, Homosexualität und kirchliches Amt etc. 2020 steht wieder die Lambeth-Konferenz an, die Vollversammlung des höchsten Beschlussgremiums der anglikanischen Weltgemeinschaft. Dabei fliegen traditionell die Fetzen zwischen Liberalen und Konservativen.
Hier könnte eine hochrangige Bischöfin aus der Mutterkirche von England, selbst Mutter zweier Kinder, bereits eine prägende Rolle spielen. Für den Moment scheint London in der Hand von Frauen: eine Königin; eine Premierministerin - und nun auch noch eine Bischöfin.
Nur der Fußball wird noch von Männern gespielt.