Blick auf Stimmung und Reformwillen im Vatikan

Papstworte mit Donnerhall

In seiner Weihnachtsansprache kritisierte Papst Franziskus seine Kurie. Ludwig Ring-Eifel, Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur, äußert sich im Interview zur Stimmung im Vatikan und erklärt, warum Reformen fast unmöglich sind.

Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei (KNA)
Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Weihnachtsansprache des Papstes vor drei Jahren an die Kurie, in denen er die fünfzehn Krankheiten aufgezeigt hat, ging damals durch alle Medien. Und auch seine diesjährige Ansprache steht in allen Zeitungen. Warum ist das Interesse daran so groß?

Ludwig Ring-Eifel (Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur): Ich glaube, das Interesse ist vor allem deshalb so groß, weil es so ungewöhnlich ist, dass man die Weihnachtsansprache nutzt, um grundsätzliche Kritik an den eigenen Mitarbeitern zu äußern. Das ist genau das, was man von einer Weihnachtsansprache nicht erwartet. Ich glaube auch, dass das Interesse deshalb so groß ist, weil er unglaublich harte und harsche Begriffe gewählt hat.

Er hat von einem Krebsgeschwür, das sich im Vatikan breit macht, gesprochen, von einer degenerierten Logik, von Intrigen und kleinen Zirkeln – das sind natürlich lauter Schlüsselbegriffe, auf die wir bei den Medien sofort anspringen und die wir sofort weiterspinnen und überlegen: "Wen hat er da gemeint?" Genau dieses Rätselraten, dieses Deuten und Interpretieren, setzt jetzt mit voller Wucht ein.

DOMRADIO.DE: Warum wäscht Papst Franziskus seinen Mitarbeitern lieber den Kopf, während andere Chefs zu Weihnachten eher versöhnliche Töne wählen?

Ring-Eifel: Ich glaube, das hat etwas mit seiner Auffassung von dem, wie die Adventszeit ist, zu tun. Die Adventszeit war früher in der Kirche eine Fasten- und Bußzeit. Das sieht er eigentlich auch noch für heute so. Es ist nicht einfach eine besinnliche und gemütliche Zeit, sondern eine Zeit, in der man sich grundsätzlichen Fragen stellen muss und sich auch fragen muss, was falsch läuft.

DOMRADIO.DE: Fast zeitgleich zur Weihnachtsansprache werden schwere Vorwürfe gegen einen der engsten Berater des Papstes erhoben. Kardinal Maradiaga soll jahrelang 35.000 Euro monatlich von einer Universität in Honduras erhalten haben. Seine millionenschweren Investitionen in Londoner Firmen sollen einfach verschwunden sein. Ist da was dran?

Ring-Eifel: Das wissen wir bisher noch nicht. Es gibt nur diesen Bericht aus dem italienischen Wochenmagazin "L'Espresso", das vorab online erschienen ist. Der Autor ist Fittipaldi, ein Kollege, der sich in der Vergangenheit immer wieder durch sehr harte Recherchen im Vatikan, Investigativrecherchen, hervorgetan hat. Ich glaube, dass an den Gerüchten etwas dran ist, weil der Papst tatsächlich vor einigen Monaten einen argentinischen Bischof nach Honduras geschickt hat, um dort die Dinge zu untersuchen.

Ob es alles direkt an Maradiaga hängt, das weiß ich noch nicht. Es taucht jetzt auch der Name eines Assistenten von Maradiaga auf, der möglicherweise der Schuldige sein könnte. Da wäre ich noch etwas vorsichtig. Aber, dass da etwas faul ist, das scheint mir evident zu sein.

DOMRADIO.DE: Laut "L'Espresso" sei Franziskus über diesen Fall "traurig und verletzt", wolle aber die Wahrheit aufdecken. Spielen diese Vorwürfe auch eine Rolle, weshalb der Papst gestern vor der Kurie so harte Worte gewählt hat?

Ring-Eifel: Ob es genau diese Geschichte ist, das wissen wir - wie gesagt - noch nicht. Auch für Maradiaga gilt erst einmal die Unschuldsvermutung, solange noch nichts bewiesen ist. Auffallend ist aber, dass der Papst erstmals in seiner Kurienrede nicht nur diejenigen beschuldigt, die sich seinen Reformen in den Weg stellen, sondern auch ganz besonders diejenigen hervorhebt, die er selber ausgesucht hat, um ihm bei den Reformen zu helfen, und die dann auf Abwege geraten sind.

Das ist eine neue Richtung seiner Kritik, das geht nicht nur gegen die Blockierer der so genannten alten Garde, sondern auch gegen die Mithelfer bei der Reform, die ihrerseits – auf gut Deutsch – Mist gebaut haben.

DOMRADIO.DE: In Anlehnung an einen belgischen Erzbischof sagte Franziskus "In Rom Reformen durchzuführen ist, wie wenn man die ägyptische Sphinx mit einer Zahnbürste reinigen will." Schafft der Papst seine Kurienreform oder schafft sie ihn?

Ring-Eifel: Das Bild mit der Sphinx und der Zahnbürste stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist eine Wahrheit, die immer schon über den Vatikan gegolten hat. Der Vatikan ist ein so komplexer Apparat. Den so vielschichtig reformieren zu wollen, das ist in der Tat fast unmöglich. Ich hatte bei der Weihnachtsansprache nicht den Eindruck, dass der Papst aufgibt, sondern – im Gegenteil – dass er sehr klar erkennt, wo Widerstände sind, wo menschliches Versagen ist und dass er das ziemlich klar benennt.

Das zeigt auch, dass er weitermachen will. Was immer in den Medien verschwiegen wird: Am Ende macht er ein großes Lob für die große Mehrheit der Mitarbeiter in der Kurie, von denen er sagt, dass sie ihren Dienst treu und hingebungsvoll und mit viel Energie verrichten. Auf die setzt er natürlich weiterhin.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel (KNA)
KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel / ( KNA )
Quelle:
DR