Anfang Januar im Fitnessstudio: Vollmotiviert geht es aufs Laufband. Endlich wieder Sport! Der Nebenmann ist aber irgendwie schneller. Die Frau da drüben sieht aus, als hätte sie die ganzen Feiertage trainiert, nicht geschlemmt wie man selbst. Und überhaupt, alle haben schicke Sportler-Outfits und sehen weniger verschwitzt, aber viel glücklicher aus. Oder?
Vorsätze und Vergleiche mit anderen hängen zusammen - nicht nur zu Neujahr. Beides kann Ansporn sein, aber auch zu Frust führen. In den letzten Jahren ist das Vergleichen nach Einschätzung des Kölner Psychologen Peter Groß "ziemlich aus dem Ruder gelaufen. In der heutigen Leistungsgesellschaft reicht 'gut' eben nicht, es muss immer 'sehr gut' sein - oder 'sehr sehr gut', also 200 Prozent." Und das lernen Menschen schon sehr früh. Manche Eltern stachelten ihre Kinder stets zu Höchstleistungen an, kritisiert Groß. "Es ist in Ordnung, jemanden zu motivieren. Aber zu großer Druck führt häufig eher zu Problemen."
Vergleiche sind nicht nur schlecht
Menschen sind im ständigen Abgleich mit ihrer Umwelt und damit, wie sie von ihr wahrgenommen werden. Das muss nichts Schlechtes sein, sagt Markus Wonka. Der Theologe und Psychologe leitet die Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) im Bistum Münster. "Ein entscheidender Moment in der Persönlichkeitsentwicklung, für das Empfinden des Eigenen, ist, wenn ein Kind lernt, nein zu sagen." Der Vergleich sei nämlich zunächst eine Voraussetzung dafür zu erkennen, was man selbst will - und nicht will. Die Kehrseite entstehe, wenn Menschen nur noch auf andere schauten.
Wonka beobachtet eine verbreitete Neigung, sich nach oben zu vergleichen: mit Leuten, die mehr haben, schlanker sind, schneller sind. "Wer einseitig auf diese Bahn gerät, macht sich selbst unglücklich", warnt er. Das sieht Groß ähnlich - insbesondere im Hinblick auf Aussehen und finanzielle Lage seien Vergleiche nicht ratsam. "Ganz schlimm ist das Vergleichen mit Fotos in Zeitschriften: Da ist nichts und niemand echt, und der Betrachter schneidet immer 'schlechter' ab."
Vorbilder mit Bedacht auswählen
Als Psychologe warne er zudem vor IQ-Tests im Internet oder in Zeitschriften. "Solch eine Zahl kann wirken wie ein Brandstempel", der sich oft lebenslang einpräge: "Dabei beschreibt diese Zahl bei weitem nicht erschöpfend das komplexe Konstrukt der menschlichen Intelligenz."
Hilfreich könne dagegen sein, sich mit einem erreichbaren Vorbild zu vergleichen, sagt Groß. "Jüngere Geschwister können oft schon lesen, wenn sie in die Schule kommen - weil sie können wollen, was die Älteren können. Sie haben eine Motivation, groß zu sein." In der Schule gebe es nicht umsonst Klassenstufen, im Sport Ligen: "Jeder soll gegen jemanden antreten, gegen den er eine Chance hat - und nicht ständig verlieren und dadurch frustriert werden."
Vorsätze so konkret wie möglich fassen
Dass viele Menschen zu asymmetrischen Vergleichen neigen, hat mehrere Gründe. Soziale Netzwerke bieten laut Wonka schlicht mehr Möglichkeiten: "Wenn ich in der What's-App-Gruppe täglich lese, was andere Spannendes machen, Gesundes essen, welche Orte sie besuchen - frage ich mich schnell: wie sieht es bei mir aus." Doch werde vielfach nur die "Schokoladenseite" gezeigt: "Misslungene Bilder stellt schließlich niemand ins Netz."
Also Augen zu und durch in punkto Vorsätze? "Mehr Sport", "gesünder essen" und "Rauchen abgewöhnen" sind die Klassiker unter den Neujahrsvorhaben. Wonka rät dagegen zu überschaubaren und möglichst konkreten Vorsätzen. "Wer sich nur vornimmt, zehn Kilo abzunehmen, scheitert eher als jemand, der einen Plan für den Alltag hat."
Dabei, solch einen Plan auch umzusetzen, könne ein Trainingspartner helfen, so Groß, und: "Wer es ernst meint mit den Vorsätzen, sollte stolz auf jeden Tag sein, den er durchhält." Sinnvoll sei zudem, das Umfeld zu informieren, damit in schwachen Momenten jemand ermutigend beisteht - und besonders anfangs lobt. Eine Leitfrage solle sein, was einen selbst wirklich zufrieden macht.