DOMRADIO.DE: Kurz vor Weihnachten hat sich Franziskus unzufrieden darüber gezeigt, wie die Reformen der Kurie verlaufen. Wo hakt es denn im Moment?
Matthias Drobinski (Journalist bei der Süddeutschen Zeitung): Er hat eine richtige Gardinenpredigt gehalten; nach dem Motto: zu Ostern wäscht der Papst den Armen die Füße, zu Weihnachten der Kurie den Kopf. Das ist schon ein bisschen Tradition, dass er da immer mit seinen Mitarbeitern sehr kritisch umgeht.
DOMRADIO.DE: Warum macht er das denn?
Drobinski: Er ist Jesuit und das merkt man. Denn das erinnert sehr an die Jesuiten-Exerzitien, wo es auch darum geht, sich selber zu befragen. Wo sind meine Grenzen?
DOMRADIO.DE: Aber das ist nicht der einzige Grund...
Drobinski: Es steckt wohl auch tatsächlich eine Unzufriedenheit dahinter. Ihn stört, dass viele Reformen nur sehr langsam vorangehen und sich viele auch aus seiner Sicht zu sehr von Egoismus und von eigenen Plänen leiten lassen.
DOMRADIO.DE: Woran erkennt man das?
Drobinski: Man sieht, dass vieles in dieser Kurienreform, die er ja in die Wege geleitet hat, hakt. Dazu hat er vor vier Jahren den Kardinalsrat eingerichtet. Dieser berät seitdem immer wieder, wie sich die Leitungszentrale im Vatikan umgestalten lässt, oder wie sich die Finanzen neu ordnen lassen. Es gibt jetzt einen eigenen Finanzminister. Das Ganze hakt von ganz oben.
DOMRADIO.DE: Ganz oben?
Drobinski: Georg Pell zum Beispiel, der als Finanzminister ernannt wurde, ist im Grunde nicht mehr arbeitsfähig, denn er muss sich in Australien wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs vor Gericht verantworten. Jetzt wurde noch vor Weihnachten ein wichtiger Mitarbeiter der Vatikanbank entlassen, einer ist zurückgetreten, weil er sich Intrigen ausgesetzt sah. Da kommt grade einiges zusammen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, dass dort mit harten Bandagen gekämpft wird?
Drobinski: Was ich aber auch höre, ist, dass statt richtig neue Strukturen zu schaffen, auch zum Teil Parallelstrukturen entstehen, dass alte Strukturen weiterarbeiten, neue dazu kommen. Also vieles ist gerade sehr durcheinander. Viele Mitarbeiter sind verunsichert; auch bei der Neuordnung der Medien.
Was kommt denn da nun raus? Ist das eine einzige große Vereinheitlichung? Radio Vatikan gibt es nicht mehr. Jetzt ist es Vatican News. Ist das nun die große Neuerung? Also da gibt es Unsicherheiten und auch Unzufriedenheit. Und das spürt der Papst, glaube ich, auch. Gleichzeitig gibt es aber auch die Leute, die froh sind, dass es so weitergeht, wie bisher, die sagen: Warten wir mal ab, der wird immer älter und irgendwann kommt der Neue und dann ist das auch alles vorbei.
DOMRADIO.DE: Mit seiner weltzugewandten Theologie und Pastoral eckt Franziskus auch an - vor allem bei den sehr Konservativen. Gibt es da jetzt eine richtig organisierte Opposition gegen ihn?
Drobinski: Die gibt es so nach meiner Beobachtung nicht. Ich glaube, dass der Widerstand sehr unterschiedlich ist. Es gibt in der Kurie Mitarbeiter, die sehr wohl mit seinem Kurs der theologischen Öffnung einverstanden sind, aber eben Probleme mit der Kurienreform haben. Es gibt andere konservative Kardinäle, die ihn unterstützen.
DOMRADIO.DE: Wer zum Beispiel?
Drobinski: Zum Beispiel Kardinal Pell ist ein klassischer Konservativer, der eher kritisch gegenüber der theologischen Linie von Franziskus ist, der aber die Kurienreform gut findet.
DOMRADIO.DE: Recht großes Medienecho fand auch der Brief der "Dubia"-Kardinäle, die sich an Papst Franziskus gewandt hatten...
Drobinski: Zwei sind inzwischen gestorben - unter anderem Kardinal Meisner - und die haben gesagt: Wir wollen doch mal gerne wissen, was ist denn das nun, ändert sich da etwas? Das finde ich an sich nicht schlecht. Jahrelang haben wir Journalisten dem Vatikan vorgeworfen, dass sie zu wenig diskutieren. Alles wird klein gehalten. Jede kritische Frage wird abgewürgt. Jetzt kommt sie von der konservativen Seite. Das muss der Papst auch aushalten. Das Problem ist dann da, wenn man solche Debatten unterdrücken will.
DOMRADIO.DE: In der Politik sind Oppositionen gut und richtig, aber auch in einer Institution wie der Kirche?
Drobinski: Da ist vieles, das im Widerspruch zu dem steht, was die Kardinäle theologisch denken. Da geht vieles durcheinander. Viele dieser Leute haben ja auch gelernt, papsttreu zu sein, dem Papst Gehorsam und Gefolgschaft zu leisten. Daher ist vieles in dieser Opposition unklar. Sie besteht aus Unmut. Da bin ich auch mal gespannt, wie die Synode zum Thema Jugend und Berufung verlaufen wird. Denn ich denke, da werden viele dieser Debatten auch aufkommen. Da werden wir dann auch sehen, wie Befürworter und Gegner des Papstkurses aufeinandertreffen.
DOMRADIO.DE: Wie würde für Sie eine bisherige Bilanz von Franziskus Pontifikat aussehen? Viel geredet - wenig erreicht oder ist er auf dem richtigen Weg?
Drobinski: Ich denke, er ist insgesamt auf dem richtigen Weg. Er hat viele Dinge angefangen, die auch in der katholischen Kirche im Argen lagen und zum Teil auch noch liegen.
DOMRADIO.DE: Was zum Beispiel?
Drobinski: Etwa die theologische Erstarrung, das Gefühl, da ist 30 Jahre lang nicht offen diskutiert worden. In der Hinsicht hat er sehr viele Türen geöffnet. Er hat, glaube ich, auch das Papstamt so verändert, dass, glaube ich, kein Nachfolger einfach zurückkehren kann. Also dieses demonstrativ Einfache, da kann kein Papst zurück. Das Amt hat er, glaube ich, nachhaltig verändert.
DOMRADIO.DE: Andere Reformen können aber doch leichter rückgängig gemacht werden, oder?
Drobinski: Die Frage ist natürlich, was wird der Nachfolger tun? Da wird es spannend sein, wie lange dieser Papst im Amt ist. Es gab immer mal wieder von ihm die Andeutung, nach fünf Jahren hätte er genug und er trete zurück. Das, glaube ich, sieht er so heute nicht mehr. Weil er, wenn er jetzt zurücktreten würde, eine gespaltene Kurie hinterlassen würde - und auch ein gespaltenes Kardinalskollegium. Da setzt er drauf, dass er, so lange er kann, auch weiter macht, dass er auch Kurienkardinäle ernennt, die sein Werk in seinem Sinne fortsetzen. Die spannende Frage wird sein, wer wird irgendwann Franziskus der Zweite sein wird.
Das Interview führte Verena Tröster.