DOMRADIO.DE: Jerusalem war ja in den vergangenen Wochen und Monaten häufig in den Medien, weil US-Präsident Trump die Stadt als Hauptstadt Israels anerkannt hat. Erwartungsgemäß ist die Lage im Nahen Osten danach erstmal eskaliert. Reisen die Bischöfe da nicht auch mit Sorge nach Jerusalem?
Matthias Kopp (Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, nimmt gemeinsam mit dem Mainzer Weihbischof Udo Bentz an der Reise teil): Mit großer Sorge. Und bei den vielen Bischöfen, die aus Europa, Nordamerika und Südafrika in dieser Delegation seit Samstag hier im Heiligen Land sind, spielt das Thema Jerusalem natürlich immer eine Rolle. Vor allem, wenn Vizepräsident Pence in den nächsten Tagen auch noch nach Jerusalem kommen sollte.
Unsere Gesprächspartner hier vor Ort sagen natürlich alle: Ihr müsst international etwas tun - auch mit Blick auf Eure Regierungen. Damit das, was Trump dort losgetreten hat, zumindest keine Sogwirkung entfalten kann.
Jerusalem ist immer ein Thema hier vor Ort, aber wir versuchen natürlich auch in unseren Gesprächen, uns nicht nur auf Jerusalem zu konzentrieren, sondern auf die gesamte Situation und darauf, wie es den Christen hier im Heiligen Land geht.
DOMRADIO.DE: Ist denn diese weltweit kritisierte Aktion des US-Präsidenten auch einflussgebend gewesen für die Lage der Christen im Heiligen Land?
Kopp: Natürlich. Die Christen haben Sorge, dass es zu neuen militärischen und anderen gewaltsamen Eskalationen kommen kann. Viele Christen sagen uns: "Es wird immer perspektivloser für uns. Gerade, wenn Dinge wie der Status von Jerusalem in Frage gestellt werden, die sich über viele Jahrzehnte bewährt haben, wird die Situation möglicherweise für uns so dramatisch, dass wir das Land verlassen." Also, hier spielt immer die Frage eine Rolle, wie viel politischer Einfluss dafür sorgt, dass der Exodus der Christen größer werden kann.
DOMRADIO.DE: Sie waren gestern mit den Bischöfen in Gaza. Was haben Sie dort erlebt?
Kopp: Es war sehr eindrucksvoll. Seit dem Besuch der Delegation vor drei Jahren - da war der letzte Gazakrieg gerade vorbei - ist doch vieles in Gaza im Aufbruch begriffen. Natürlich gibt es weiterhin Versorgungsengpässe, alleine auch an Baumaterialien. Aber wir haben am gestrigen Sonntag nur noch relativ wenige Kriegsspuren gesehen. Da ist vieles aufgebaut worden. Das ist ein positives Zeichen.
Gleichzeitig ist die Verzweiflung in der Bevölkerung groß, weil der Gazastreifen wirtschaftlich völlig im Niedergang begriffen ist. Wir haben eine Arbeitslosenquote von 45 Prozent, bei jungen Leuten und Frauen liegt sie bei bis zu 70 Prozent.
Das ist so perspektivlos, dass auch dort die Menschen am liebsten gehen würden - eine Gefahr für die christliche Minderheit. Wir haben 138 Katholiken in Gaza, die wir auch gestern besucht haben. Von denen sagen uns viele: Wenn wir könnten, würden wir den Gazastreifen verlassen.
DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es dieses Bischofstreffen zum 18. Mal. Was ist das Ziel dieser Reise?
Kopp: Das erste Ziel ist immer: Wir als Bischöfe zeigen eine Solidarität mit den Christen im Nahen Osten. Ihr seid nicht vergessen. Wir lassen Euch nicht nur materielle Hilfe zukommen oder geistliche Hilfe durch das Gebet, sondern, wir sind konkret bei Euch vor Ort, um Eure Sorgen zu hören, um Euch zu verstehen.
Der zweite Aspekt ist sicherlich auch der, dass die Bischöfe einen Eindruck bekommen, um in ihren Heimatländern - möglicherweise auch im politischen Kontext - über das zu berichten, was sie gesehen und erlebt haben.
Und der dritte Aspekt ist der, dass zu überlegen ist: Wie kann der Bevölkerung - gerade der christlichen Bevölkerung - hier noch weiter geholfen werden.
Es war hoch interessant gestern Abend, als Jugendliche zum Abendessen mit den Bischöfen zusammenkamen und von ihren Träumen und Lebensperspektiven erzählten. Sie sagen alle: "Wir würden gerne am Aufbau der Zivilgesellschaft in Palästina und Israel mitwirken - allein, uns fehlen dafür die Voraussetzungen." Das hat auch viele Bischöfe im Gespräch sehr nachdenklich gemacht.
Das Interview führte Tobias Fricke.