"Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin", singt der Kabarettist Jürgen Becker - und ganze Säle grölen fröhlich mit. Diese rheinische Grundbefindlichkeit herrschte im Grunde auch vor 200 Jahren, nachdem der Wiener Kongress die Rheinlande 1815 dem protestantisch geprägten Preußen zugeschlagen hatte. Natürlich, da war auch die romantische vaterländische Begeisterung, in den Befreiungskriegen endlich das "französische Joch" Napoleons abgeworfen zu haben. Dennoch waren spätere Konflikte programmiert: konfessionelle, politische und wesensmäßige.
Über den Empfang der Preußen im Rheinland ist viel, vor allem viel Falsches geschrieben worden. Die preußische Geschichtsschreibung, allen voran Heinrich von Treitschke (1834-1896), berichtete von blankem Hass, der den preußischen Befreiern in den "halbverwelschten Krummstablanden" entgegengeschlagen sei. Die rheinische, schon vom späteren Kulturkampf geprägte Sicht schloss dagegen jede Unvoreingenommenheit seitens der Rheinländer rundweg aus.
"Das Verhältnis ist schwierig"
Bildete es eine postfranzösische Realität ab, oder handelte es sich um einen evangelischen Standesdünkel, als der Bonner Kreisdirektor Philipp Joseph Rehfues 1815 schimpfte, die Masse der katholischen Geistlichkeit sei "untergegangen in Unwissenheit, Roheit und Armuth"? Sobald der Katholik "nicht mehr mit der Noth zu kämpfen hat, erwacht sein Stolz; sein Stolz aber ist, sich zu isolieren im Staate und nur der Kirche anzugehören".
Tatsache war, was der preußische Kultusminister Karl Freiherr vom Stein zum Altenstein 1819 schrieb: "Der preußische Staat ist ein evangelischer Staat und hat über ein Drittel katholischer Untertanen. Das Verhältnis ist schwierig. Es stellt sich richtig dar, wenn die Regierung für die evangelische Kirche sorgt mit Liebe, für die katholische Kirche sorgt nach Pflicht. Die evangelische Kirche muss begünstigt werden. Die katholische Kirche soll nicht zurückgesetzt werden - es wird für ihr Bestes pflichtgemäß gesorgt."
Vornehmes Bildungspublikum entstand
In dieses Spannungsfeld gehört auch die Gründung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, dessen Stiftungsurkunde König Friedrich Wilhelm III. am 18. Oktober 1818 quasi en passant, auf der Jagd, unterzeichnete. Die rückständigen katholischen Rheinländer sollten bildungstechnisch aufgewertet werden - mit der modernsten und zweitgrößten Universität Preußens.
Führende Gelehrte wurden für Bonn engagiert, und binnen kurzem entstand in der alten Residenzstadt am Rhein ein vornehmes, ja elitäres Bildungspublikum. Ernst Moritz Arndt, August Wilhelm Schlegel, Friedrich Christoph Dahlmann, Jacob Noeggerath, Georg Niebuhr sind nur einige der bedeutenden Namen dieser frühen Zeit.
Die Universität Bonn hat gekrönte Häupter unterrichtet wie den späteren preußischen König Friedrich Wilhelm IV. oder den Gemahl von Queen Victoria, Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha. Sie hat die deutsche Wissenschaft entscheidend mitgeprägt und zahlreiche Nobelpreisträger hervorgebracht. Und mit dem katholischen Fundamentaltheologen Joseph Ratzinger, der von 1959 bis 1963 hier am Rhein lehrte, sogar einen späteren Papst.
Globale Zukunftsfragen im Fokus
Am Dienstagabend beginnen in Bonn die Feiern zum Gedenkjahr mit insgesamt mehr als 100 Veranstaltungen. Nur das erste Quartal soll dabei der historischen Rückschau dienen. Die weiteren Monate will die Universität nach Worten von Rektor Michael Hoch nutzen, sich globalen Zukunftsfragen zu widmen und im wachsenden Wettbewerb der Hochschulen und Universitäten zu präsentieren und zu profilieren.
Beim Festakt am Gründungstag selbst, dem 18. Oktober, soll kein Geringerer als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Festrede halten. Und am selben Tag wird eine große vierbändige Universitätschronik vorgelegt. In mehr als fünfjähriger Vorarbeit unter Federführung des Historikers Dominik Geppert haben 50 Fachwissenschaftler die Geschichte auch der einzelnen Disziplinen und Fachbereiche aufgearbeitet. 200 Jahre deutscher Bildungsgeschichte.