Die 20-Jährige Denja Otte ist seit mehr als zehn Jahren in einer katholischen Pfadfinderschaft. Vieles, was die Schule gar nicht vermittle, habe sie dort gelernt. "Jeder darf so sein, wie er ist. Und das finde ich sehr wichtig, weil ich glaube, es gibt kaum einen anderen Verband, Organisation, Freizeitaktivität, wo jeder einen Platz in der Gruppe findet", betont die Kölner Studentin.
Toleranz und Offenheit sind zwei Gründe, weshalb sie bei den Pfadfindern aktiv ist. Ihre Taufe und ihr Glaube spielten dabei weniger eine Rolle. "Für mich war es halt schwer, zu glauben, dass in einem Stück Brot Jesus wieder aufersteht. Ich glaube eher daran, dass es irgendwas gibt, was uns zusammenhält, was uns den Weg weist. Aber ob es Gott sein muss, da bin ich mir nicht sicher."
Auf der Suche nach Gott?
Denja ist nur ein Beispiel für eine Entwicklung, die sich durch ihre ganze Generation zieht. Die Ergebnisse der bekannten Shell-Jugendstudie zeigen: Für die Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren sind die Familie und der Freundeskreis besonders wichtig. Der Glaube an Gott verliert dagegen immer mehr an Bedeutung.
Insgesamt gaben 23 Prozent der Befragten zu, nicht zu wissen, an was sie glauben sollen. Die Institution Kirche und deren große soziale Rolle finden die meisten gut. Nur zukunftsfähiger sollte sie werden. Religiöse Rituale und Vorschriften schrecken eher ab. 75 Prozent der katholischen Jugendlichen findet, die Kirche muss sich ändern.
Modernes Konzept: Jugendkirche
Weil er die traditionellen Gottesdienste langweilig fand, schloss sich der 23-Jährige Raphael Jenniches einer Jugendkirche in der Eifel an. Bei "New Key" (Neuer Schlüssel) werden die Gottesdienste von den Jugendlichen geplant. Sie suchen selbst die Themen und die Lieder aus, die junge Menschen wirklich ansprechen. Gemessen an den Besucherzahlen ist die Jugendkirche auf dem Land damit sehr erfolgreich.
Für den Studenten der Sozialpädagogik zählt, dass es Menschen in der Kirche gibt, die Jugendliche mit einbinden. Und dabei auch einen kritischen Blick auf die Institution Kirche erlauben. Raphael findet, dass die Kirche in der heutigen Zeit letztlich das Einzige sei, was vor vielen Jahrhunderten stagniert sei. "Alles andere entwickelt sich weiter. Jeder überlegt: Okay, wie können wir etwas verändern? Wie können wir etwas besser machen, wie können wir etwas lukrativer machen? Nur die Kirche sagt: So ist es und nicht anders."
Bewährtes Fundament
Kirche soll sich an der Lebensrealität von Jugendlichen orientieren. Das findet auch die Bundesvorsitzende im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Katharina Norpoth. Die 26-Jährige besetzt erstmals wieder nach 20 Jahren den ehrenamtlichen Sitz im Vorstand. Für sie muss es bei aller Öffnung zur Moderne aber auch bestimmte Grundpfeiler geben, die die Kirche ausmachen. "Wenn man das Evangelium jetzt als Grundlage sieht, bedeutet das auch immer, dieses auf die heutige Zeit zu übertragen und zu schauen, wie sehen wir das denn in unserer Zeit heute. Da kann es, glaube ich, sehr viel Orientierung bieten." So könne die Bibel sehr aktuell und lebensnah sein.
Katharina Norpoth setzt sich neben ihrem Studium bundesweit für die katholische Jugend ein. Ein selbst gewähltes Ehrenamt mit viel Verantwortung. Für sie zählt die Perspektive. Sich in der Kirche zu engagieren, bedeute auf der Basis des Glaubens zu agieren. "Das ist, glaube ich, noch mal ein anderes Fundament als in Sportvereinen oder in anderen Kontexten." Für die BDKJ-Bundesvorsitzende ist es eine große Aufgabe, die Lebensrealität möglichst vieler Jugendlicher in ihrer bundesweiten Arbeit zu beachten. Denn zum Glauben gehöre auch, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Und auch die Jugendlichen wahrzunehmen, die sich von der Kirche nicht verstanden fühlten.
Kritische Blicke
Der 21-Jährige Student Ben (Name v. d. Red. geändert) wünscht sich in einer zukunftsfähigen Kirche Männer und Frauen als Ansprechpartner. Er will Kirche viel stärker öffnen, damit auch Frauen und Männer, die Familie haben, die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Seit Jahren ist er in der katholischen Jugendarbeit aktiv und würde gerne mehr Frauen in leitenden Positionen sehen. "Ich bin immer wieder frustriert und finde es super traurig, dass viele Positionen und Entscheidungen nur von einem Kreis von zölibatär lebenden Männern getroffen werden. Das nur zölibatär lebende Männer Messen feiern dürfen, kann ich einfach überhaupt nicht nachvollziehen."
Dabei sei gerade bei der katholischen Jugendarbeit das Plus, dass offene Räume angeboten würden, in denen sich Jugendliche austauschen könnten. Und die Themen, die Jugendliche bewegen würden, seien wichtig für die gesamte Kirche. "Man merkt einfach, dass jugendspezifische Themen im Gesamtkontext ‚Wie funktioniert Kirche?‘ nicht zu isolieren sind." Das seien grundsätzliche Fragen, so Ben, die sich die Kirche dringend und ernsthaft stellen muss.
Auch wenn bei Denja Otte, Raphael Jenniches, Katharina Norpoth und Ben der Glauben und die Motivation für ihr kirchliches Ehrenamt unterschiedlich sein mag – für alle zählen Offenheit, Toleranz und vor allem Beachtung. Kirche sollte Jugendlichen zuhören.