Anlässlich der Veröffentlichung des Schattenfinanzindex 2018 weist MISEREOR auf den immensen Schaden der Steuervermeidung großer Unternehmen nicht nur für die Gemeinwesen in den Industriestaaten, sondern besonders in ärmeren Entwicklungsländern hin. Den Ländern des Globalen Südens entgingen aufgrund illegitimer Geldströme Steuereinnahmen in Höhe von geschätzten 100 bis 200 Milliarden US-Dollar jährlich. Zum Vergleich: die öffentliche Finanzierung für die internationale Entwicklungszusammenarbeit betrug 2016 etwa 142,6 Milliarden US-Dollar.
Der Schattenfinanzindex des Netzwerks Steuergerechtigkeit, dessen Mitglied MISEREOR ist, zeigt schonungslos, dass auch die EU ein Eldorado für Steuervermeider und Geldwäsche ist. "Statt Unternehmen zu zwingen, faire Unternehmenssteuern zu zahlen, arbeiten die EU-Staaten zusammen, um Unternehmen maßgeschneiderte Steuervermeidungspakete anzubieten. Die Niederlande haben sich dabei auf die Steuerfreistellung von Gewinnen aus Lizenzeinnahmen spezialisiert, während andere EU-Staaten wie Irland oder Luxemburg anonyme Briefkastenfirmen anbieten oder nur Minimalsteuern auf Unternehmensgewinne erheben. Deutschland belegt Platz 7 auf der Liste der schädlichsten Zentren der globalen Geheimhaltungs- und Steuervermeidungsindustrie. Das ist ein Armutszeugnis", so Klaus Schilder, Referent für Entwicklungsfinanzierung und verantwortliches Wirtschaften bei MISEREOR.
"Gut gemeint, aber nicht gut gemacht"
"Von Deutschland im G20-Kreis unterstützte Investitionsprogramme für die Privatwirtschaft in Afrika sind gut gemeint, aber nicht gut gemacht, solange Deutschland nicht dazu beiträgt, diesen Aderlass der Volkswirtschaften Afrikas, der durch entgangene Steuern entsteht, zu stoppen. Um strukturelle Armuts- und Fluchtursachen zu bekämpfen, muss Deutschland dafür sorgen, dass Entwicklungsländer ausreichend politischen Spielraum zur wirksamen Besteuerung ausländischer Konzerne erhalten, anstatt der Armut der öffentlichen Kassen im Süden weiter Vorschub zu leisten", erklärt Schilder. Nur so stünden die nötigen Investitionen für die von der Zivilgesellschaft geforderte Überwindung von Armut und Ungleichheit zur Verfügung.
Die Große Koalition formuliere in den Sondierungsgesprächen immerhin die Forderung nach EU- Mindestsätzen für Unternehmenssteuern, um dem Steuertourismus ein Ende zu setzen. "Dieser Absichtserklärung müssen endlich politische Taten folgen, auch gegen den Willen der Wirtschaftslobby. Was wir brauchen ist ein politischer Reform-Dreisprung: Vollständige Transparenz der Eigentümer von Briefkastenfirmen und anderen Verdunklungskonstrukten, internationale Zusammenarbeit beim automatischen Informationsaustausch und öffentliche länderbezogene Finanz-Berichtspflichten für alle Unternehmen", betont Schilder.
Plan greift zu kurz
Angesichts der Dimension der Einnahmeverluste durch Unternehmenssteuervermeidung weltweit greife der 10-Punkte-Plan der Bundesregierung gegen Steuervermeidung, der nach der Enthüllung der Paradise Papers entstand, viel zu kurz. Deutschland blockiere auf EU-Ebene immer noch bei so wichtigen Reformvorhaben wie öffentlichen Firmenregister oder öffentlichen Konzernbilanzen und bleibe damit selbst weiter ein Schattenfinanzplatz.