Die ernsten Jecken vom Eichsfelder Land

Karneval in Thüringen

Auch der Osten kann Karneval – wie ein Besuch im thüringischen Eichsfeld zeigt. In der Sankt Bonifatius Kirche in Leinefelde hat die "Karnevalisten-Messe" fast schon Tradition. Den aus Köln stammenden Pfarrer freut's.

Karnevalsumzug in Wasungen, Thüringen / © arifoto UG (dpa)
Karnevalsumzug in Wasungen, Thüringen / © arifoto UG ( dpa )

Dass Karneval und Kirche zusammengehören, mag in den rheinischen Narrenhochburgen eine Selbstverständlichkeit sein. Wie aber war das im SED-Staat, in dem der Karneval zwar nicht verboten war, aber er doch wie die Kirche unter besonderer politischen Beobachtung stand?

Büttenreden mussten Bürgermeistern in Dörfern und Städten vorgelegt werden. Von deren Humor-Spannbreite hing das Wohl und Wehe eines Umzuges oder einer Sitzung ab.

Karnevalsverbände vielerorts verboten

Auch im thüringischen Eichsfeld, in der sich die katholische Tradition hartnäckig vor den DDR-Oberen behauptete, konnte sich nicht jeder Verein vor einem Verbot retten. So wurden 1967 die Jecken vom Heiligenstädter "Carneval Verein", der 1809 seine erste Session feierte, offiziell zum Schunkeln "in die Privatsphäre verwiesen"– sprich er wurde verboten. Erst 1994 gründete sich der Traditionsclub wieder neu.

In Dörfern wie Breitenbach oder Gernrode war es der Kulanz der Bürgermeister zu verdanken, dass die Karnevalsvereine nicht von der Schließung bedroht waren. Gregor Hausmann ist Vorsitzender des "Carnevalclub Breitenbach" und war auch schon zu Ostzeiten ein Büttenredner. "Noch heute ziehe ich vor unserer Bürgermeisterin den Hut, dass sie so zu unserem Verein gestanden hat", sagt Hausmann.

Stasispitzel überwachten Reden und Umzugswägen

Für eine Büttenrede, in der er beklagte, dass die Sportler des Dorfes während ihrer aktivsten Zeit in den stupiden Armeedienst eingezogen werden, und er über einen russischen Schrottpanzer witzelte, sei sie gerügt worden. Denn immer, so Hausmann, hätten auch Stasispitzel in den Karnevalssitzungen gesessen und Reden oder Schriftzüge auf den Umzugswägen notiert. "Doch das ist ja nun auch überstanden."

Vielleicht wirken die Vertreter mehrerer Karnevalsvereine aus dem Eichsfeld deshalb ein wenig ernster als in rheinischen Gefilden zur fünften Jahreszeit. Gewogenen Schrittes betraten die Delegierten der Karnevalsvereine aus Leinefelde, Gernrode, Heiligenstadt, Dingelstädt, Breitenbach, Birkungen und Holungen die Kirche Sankt Bonifatius in Leinefelde-Worbis. Dort feierten sie im Januar mit dem Heiligenstädter Pfarrer Markus Könen zum neunten Mal die mittlerweile schon traditionell zu nennende "Karnevalistenmesse".

Tanzmariechen in der Kirche

Pfarrer Markus Könen, selbst "ne Kölsche Jung", ist seit 2004 Pfarrer im Eichsfeld, früher in Leinefelde, nun in Heiligenstadt. Seinem Aufruf im Vorfeld, die Karnevalisten könnten doch den Gottesdienst durch eigene Darbietungen bereichern, kamen die Verantwortlichen indes nicht nach. Vor ein paar Jahren noch gaben die Tanzmariechen eine Darbietung in der Kirche. Doch die winterkalte Kirche sei ihnen auf die Blase geschlagen, räumt Könen wehmütig ein.

Doch ihn freut, dass sich die ursprünglich aus dem Rheinland stammende "Karnevalistenmesse" im Eichsfeld etabliert hat - freilich mit regionalen Besonderheiten. Bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches gehörte das Eichsfeld zum Mainzer Erzbistum und auch später noch leisteten die Mainzer Bischöfe "Aufbauhilfe" und Unterstützung personeller und finanzieller Art. Die enge Mainz-Connection ließ auch den Karneval nicht unberührt, und so lautet bis heute der Eichsfelder Narrenruf in Mainzer Tradition: Helau!

"Büttenredner finden sich hier nur wenige"

In seiner Predigt lobte Könen am Karneval, dass er einlade zur Geselligkeit. Karnevalisten teilten ihre Freude mit anderen und versuchten ihre Mitmenschen zu begeistern. In diesem Sinne entdeckt der Geistliche auch ein karnevalistisches "Potenzial" beim Sankt Martin, der heiligen Elisabeth von Thüringen und den Heiligen Drei Königen: "Sie sind alle aus ihrer Haut geschlüpft, um gute Dinge zu tun."

Dass im Gottesdienst vor allem ältere Karnevalisten zugegen waren, zeugt von den Nachwuchsproblemen in den Vereinen. "Tanzmariechen will jedes Mädchen einmal gerne werden, da stimmt die Nachfrage", sagt der Karnevalist Hausmann. "Aber Büttenredner finden sich hier nur wenige. Vielleicht steckt da noch eine Befangenheit drin, die aus DDR-Zeiten rührt."

Andreas Öhler


Quelle:
KNA