Es ist ein Grundsatzurteil, auch wenn es "nur" von einer unteren gerichtlichen Instanz gefällt wurde: Die katholische Kirche darf andere Religionsgemeinschaften, die sie für bedenklich hält, öffentlich scharf kritisieren. Das hat das Verwaltungsgericht Mainz in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil entschieden.
Das Gericht zeigt dabei den Rahmen auf, in dem sich Weltanschauungsbeauftragte der Bistümer über ausländische dubiose Freikirchen, die in Deutschland missionieren wollen, äußern dürfen. Fazit: Auch "scharfe Kritik" an der Tätigkeit anderer Religionsgemeinschaften sei erlaubt, wenn sie fundiert sei. Die kirchlichen Experten dürfen also deutliche Worte wählen, ohne dafür den Mund verboten zu bekommen.
Verwaltungsgericht gibt Kirche Recht
Das hatte ein Jugendverein der südkoreanischen evangelischen Freikirche "Good News Mission" mit einer Klage versucht. Er verlangte vom Bistum Mainz in Person seines Sektenbeauftragten Eckhard Türk die Unterlassung kritischer Äußerungen. Türk hatte der Freikirche "Indoktrination" und "ideologische Manipulation" vorgeworfen. Darin sah die Freikirche eine unzulässige Diskriminierung und machte geltend, das Bistum sei als öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaft bei derartigen Äußerungen zu einem angemessenen Verhalten verpflichtet, an dem es hier fehle.
Dem widersprach nun das Verwaltungsgericht: Die katholische Kirche sei "nicht in gleichem Maße wie staatliche Stellen zur Neutralität verpflichtet", auch wenn sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei. "Zur öffentlichen Verdeutlichung ihres religiösen Standpunkts" dürfe die katholische Kirche "auf Entwicklungen hinweisen, die nach ihrer Lehre mit dem Glauben unvereinbar" seien.
Sie müsse dabei aber "einen angemessenen Grad an Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit" wahren, heißt es im Urteil. Dies sei mit Blick auf die "Autorität" der öffentlich-rechtlich verfassten katholischen Kirche notwendig.
Türk hatte Jugendliche und deren Eltern 2016 vor dem Besuch eines Konzertes der Jugendorganisation in Mainz gewarnt, da es sich dabei um verdeckte Missionsaktivität handeln könne. Teilnehmer müssten "mit Indoktrination" rechnen. Die Freikirche hatte die Mainzer Rheingoldhalle vier Tage lang angemietet. Im Vorfeld der Veranstaltung erschien in der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" ein Artikel mit der Überschrift: "Koreanische Missionare veranstalten Konzert in Mainz: Sektenexperte warnt vor Manipulation".
Wiedergabe Meinung Dritter
Der Sektenbeauftragte - so das Gericht - habe auch die Meinung Dritter wiedergeben dürfen, welche die freikirchliche Organisation als "gefährliche christliche Sekte" einstuften. Diese Wertung habe sich der Beauftragte nicht selbst zu eigen gemacht. Türk sagte am Donnerstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Frankfurt: "Ich habe diese Gruppe nie Sekte genannt."
Die Einschätzung, dass es sich bei der südkoreanischen Freikirche um eine "gefährliche christliche Sekte" handele, habe er aus Korea, den USA und von einem evangelischen koreanischen Pfarrer aus Düsseldorf bekommen. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts hat Türk damit seiner Sorgfaltspflicht "Rechnung getragen". Er habe eine "fundierte Recherche" über die Einschätzung mit der Materie vertrauter Personen und Institutionen vorgenommen.
Bei von Türk verwendeten Begriffen wie "Indoktrination", "ideologische Manipulation" oder "Vereinnahmung" handele es sich um Werturteile, die nicht die Grenze zur Herabsetzung oder Schmähung überschritten. Eine scharfe Kritik an der Tätigkeit anderer Religionsgemeinschaften sei erlaubt, gerade wenn diese wie im vorliegenden Fall sich selbst mit publikumswirksamen Aktionen in die Öffentlichkeit begäben, so das Gericht.
Türk sieht sich in seinem Vorgehen bestätigt. Hätte die Unterlassungsklage der Freikirche Erfolg gehabt, hätte er "gezweifelt, was dann noch hätte gesagt werden dürfen", erklärte er. Doch nun habe das Verwaltungsgericht Mainz "ein grundsätzliches Urteil" zugunsten der Meinungsfreiheit gesprochen.