Eine geistliche Betrachtung zur Fastenzeit

Aus weniger wird mehr

Wer fastet, leistet Verzicht. So weit, so gut. Doch das ist längst nicht alles. Denn aus dem Verzicht kann auch viel Neues erwachsen. Eine geistliche Betrachtung kurz vor der Halbzeit der Fastenzeit.

Autor/in:
Kerstin-Marie Berretz OP
Das "Zeitfeld" im Düsseldorfer Volksgarten / © Lisa Ducret (dpa)
Das "Zeitfeld" im Düsseldorfer Volksgarten / © Lisa Ducret ( dpa )

Fasten ist populär geworden, und so denken selbst Menschen, die ansonsten nicht sehr eng mit der Kirche verbunden sind, darüber nach, worauf sie in der Fastenzeit verzichten können. Während die einen ganz klassisch Fleisch, Zigaretten oder Alkohol weglassen, machen sich andere davon frei, zu viel Fernsehen oder zu viele Serien zu schauen. Wieder andere meiden sieben Wochen lang die sozialen Medien oder wählen bewusster aus, wie sie sich informieren und was sie lesen.

Letzteres kann sich durchaus als Herausforderung erweisen, denn in Zeiten von Smartphone und WLAN kann man sich im Grunde immer und überall informieren. Kann Wartezeiten damit verbringen, die Timeline bei Facebook zu durchstreifen und so in fast jeder Situation in seine ganz eigene Welt, die Blase, abtauchen. Wenn man dann ab Aschermittwoch darauf verzichtet, fragt man sich zuerst einmal: Und was jetzt? Was tun mit der Zeit, die man plötzlich gewonnen hat? Was tun mit den Gedanken, wenn man von der Arbeit eine Pause bräuchte und deswegen jetzt normalerweise durchs Internet surfen würde? Wie die Minuten verbringen, während man im Café auf die Verabredung wartet?

Verzicht bedeutet auch mehr zu haben

Und plötzlich wird klar: Verzicht bedeutet nicht einfach, etwas nicht mehr zu tun oder zu konsumieren, sondern Verzicht bedeutet auch und vor allem, mehr zu haben. Mehr Zeit, die gestaltet werden kann. Mehr Raum in den Gedanken, die in eine Richtung gelenkt werden können.

Mehr Aufmerksamkeit für das, was um einen herum passiert. Es geht also in der Fastenzeit nicht einfach darum, etwas nicht zu tun oder zu konsumieren und darunter zu leiden, damit man es dann ab Ostern wieder um so intensiver erleben und genießen kann. Vielmehr können die sieben Wochen vor Ostern dabei helfen zu entdecken, was noch da ist, das im Alltag untergeht, weil so viel anderes da ist.

Vorbereitung auf Ostern

Wer sich entschließt, die Mittagspause nicht am Computer im Büro zu verbringen, sondern stattdessen eine Runde spazieren zu gehen, der kann entdecken, wie sich die Natur in diesen Wochen der Fastenzeit verändert. Der trifft vielleicht Menschen, die er vorher noch nie gesehen hat, weil sich die Wege sonst nicht kreuzten, und kann bemerken, wie wohltuend etwas Bewegung für Leib und Seele ist. Dann geht es gar nicht mehr in erster Linie um den Verzicht, sondern um das, was nun neu gewonnen werden kann. Das "Weniger" schafft großen Raum für das "Mehr", für das, was neu werden will. Es bietet die Chance, neues Leben zu entdecken und bereitet damit optimal auf Ostern vor.

Denn genau das ist ja das Geheimnis von Ostern, dass das Leben neu wird, indem der Tod überwunden wird. Und damit bietet die Fastenzeit - wenn sie geprägt ist vom Verzicht, der Freiräume schafft - die Gelegenheit, selber zu entdecken, wo in diesem Leben hier und jetzt die kleinen alltäglichen Tode überwunden werden können. Nicht, um sich vom Leben abzuschneiden und sich etwas Schönes zu nehmen, sondern um noch Schöneres zu entdecken und um zu noch mehr Leben zu kommen. Dabei gibt es keine festen Regeln, was zu unterlassen ist und was unbedingt gepflegt werden sollte. Sondern jeder Mensch ist hier der Experte für sein eigenes Leben und kann so nur selber entdecken, was lebensförderlich für ihn ist.

Etwas Neues ausprobieren - um etwas zu gewinnen

Die Fastenzeit bietet dafür einen Zeitraum von sieben Wochen in denen man ausprobieren kann, was einem gut tut. Wie gut also, dass die Fastenzeit so populär geworden ist, dass alle Verständnis dafür haben, wenn man in diesen Wochen seinen Instagram-Kanal ruhen lässt, via WhatsApp nicht erreichbar ist oder kein Fernsehen schaut. Aber auch, wer auf Alkohol, Zigaretten und Fleisch verzichtet, wird nicht schräg angeschaut, sondern bisweilen noch unterstützt.

Und da sieben Wochen ja ein überschaubarer Zeitraum sind, an deren Ende man ohne Rechtfertigungsdruck und ohne Reue zu alten Gewohnheiten zurückkehren kann, ist jetzt eine wirklich gute Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren. Nicht, um sich selbst zu kasteien und zu quälen, sondern um sich selbst etwas Gutes zu tun, indem man etwas gewinnt. 


Quelle:
KNA