Schon seit langem gehört Julia Klöckner zu Merkels Ziehtöchtern. So ist es nicht überraschend, dass die Bundeskanzlerin der 45-jährigen CDU-Landesvorsitzenden aus Rheinland-Pfalz in ihrem vierten Kabinett das Amt für Ernährung und Landwirtschaft anvertraut. Klöckner kennt das Ressort aus ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete: Von 2009 bis 2011 war sie dort parlamentarische Staatssekretärin. Seit 2010 im CDU-Präsidium und seit 2012 Vize-Parteivorsitzende, gilt die extrovertierte "Julia" mit einem katholisch-volksnahen Temperament als passende Ergänzung zur pragmatisch-protestantisch reflektierenden Merkel.
Christliche Soziallehre als Grundlage
Dabei wirbt die studierte Theologin und Politikwissenschaftlerin für eine unideologische Volkspartei, jenseits der Flügelkämpfe von konservativ, liberal oder national. Als Fundament der Partei gilt ihr die Christliche Soziallehre, wie sie auf dem jüngsten Parteitag in Berlin bekräftigte. Mit Blick auf die anstehende Debatte um das Grundsatzprogramm forderte sie allerdings, die Soziallehre erneut "durch zu deklinieren".
Dies wird sie nun auch in ihrem neuen Amt tun können. Denn die "Schöpfung" ächzt in vielen Bereichen unter einer überweigend ökonomisch orientierten Landwirtschaft und Tierhaltung. "Deutschland soll beim Tierschutz eine Spitzenposition einnehmen" heißt es im Koalitionsvertrag. Ein ehrgeiziges Ziel angesichts von Massentierhaltung oder Antibiotikamissbrauch.
Durchsetzungskraft gefragt
Die Koalition bekennt sich "zur bäuerlichen und regional verwurzelten Landwirtschaft" und strebt ein bundesweites Gentechnikanbau-Verbot an. Zu den weiteren Themen gehören gesunde Ernährung, mehr Transparenz über Nährwerte und Inhaltsstoffe und die Eindämmung von Lebensmittelverschwendung.
Dabei dürfte der Winzertochter und einstigen Weinkönigin Klöckner der Erhalt der "typischen deutschen Kulturlandschaften" im Weinbau besonders am Herzen liegen. Als Bundesministerin wird sie besonders bei der Weiterentwicklung einer Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik viel Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen brauchen.
Beides konnte sie in Rheinland-Pfalz lernen - und nicht zuletzt den schwierigen Umgang mit Niederlagen. Denn nach einer Blitzkarriere in der CDU scheiterte sie zweimal als Spitzenkandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin. Das war vor allem der starken Amtsinhaberin Malu Dreyer (SPD) und dem politischen Beben infolge der Flüchtlingskrise geschuldet - mit dem Aufstieg der AfD. Klöckner brauchte Zeit, die Niederlage persönlich zu verdauen.
Akt der Emanzipation bezüglich Flüchtlingskrise
Für die CDU-Kandidatin war der Wahlkampf eine Feuertaufe. Mit ihrem Plan "A2" in der Flüchtlingskrise widersprach sie seinerzeit der Linie der Parteichefin: ein Akt der Emanzipation mit hohem Risiko. Als eine der ersten unter den Christdemokraten hob sie hervor, welches gesellschaftspolitische Spannungspotenzial die Zuwanderung aus mehrheitlich muslimischen Ländern in sich barg. Im Zentrum steht dabei für Klöckner die Gleichberechtigung der Frau, vom Burka-Verbot bis zum Schwimmbadbesuch.
Die praktizierende Katholikin vertritt ihre Überzeugungen selbstbewusst auch als Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) - durchaus in Spannung zur Amtskirche. Bioethisch tritt sie gegen verbrauchende Embryonenforschung ein und spricht sich als Donum Vitae-Mitglied gegen die Abtreibung aus - ebenso wie gegen Suizidbeihilfe.
Bodenständig und "geländegängig"
Was sie an der Kirche stört? "Die Rolle der Frau, der Umgang mit Homosexuellen, der Umgang mit Geschiedenen", bekennt sie bündig. Ihre Kritik unterlegt sie biografisch: Ihr bester Freund lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft, und ihre Eltern trennten sich vor Jahren. Klöckner ist unverheiratet und kinderlos. Das hindert sie nicht, familienpolitisch durchaus konservativ das Vorrecht der Eltern einzuklagen: "Eltern kann man nicht ersetzen, weder durch Kitas noch durch staatliche Einrichtungen". Die 45-Jährige charakterisiert sich selbst als bodenständig und "geländegängig".
Christoph Scholz