Es ist schon acht Jahre her, dass Melody Alan ihren Mann verlassen hat. Weil er regelmäßig trank. Weil er sie und die vier gemeinsamen Söhne immer wieder anschrie. Weil er dann auch noch gewalttätig wurde. Und irgendwann sogar damit begann, im Beisein der Kinder Drogen zu nehmen. Acht Jahre ist das jetzt her. Aber bis heute wird Melody Alan nervös, wenn jemand in ihrer Nähe laut wird. Und bis heute ist sie eine verheiratete Frau.
Scheidungen verboten
Auf den Philippinen, wo die 44-Jährige zuhause ist, sind Scheidungen immer noch verboten. Der Inselstaat mit seinen mehr als 100 Millionen Einwohnern ist das einzige Land in Asien, in dem Katholiken in der Mehrheit sind - ein Erbe der spanischen Kolonisation. Die katholische Kirche hat weiterhin großen Einfluss. Und so sind die Philippinen auch das einzige Land der Welt - ausgenommen der Vatikan -, in dem sich Ehepartner auch im 21. Jahrhundert praktisch nicht scheiden lassen können. Nur für Muslime gibt es Ausnahmen.
Melody Alan lebt heute als alleinerziehende Mutter. Ihr Mann hat nun zwei weitere Kinder mit einer anderen Frau. Aber laut Gesetz sind sie immer noch verheiratet. Daran können sie auch nicht viel ändern - außer, sie lassen sich auf die teure Prozedur ein, ihre Ehe von Anfang an für null und nichtig erklären zu lassen. Das bedeutet in der Regel auch noch einen langen Gang durch die Instanzen. Zudem entwickelt sich oft ein Streit um die Kinder.
Einfluss der Kirche
Seit Mitte der 1990er-Jahre gab es immer mal wieder Versuche, das Scheidungsverbot zu lockern. Bislang scheiterte das stets am Einfluss der Kirche. Nach dem Wahlsieg von Präsident Rodrigo Duterte - kein großer Freund der Bischöfe - kam jedoch neue Bewegung in die Angelegenheit. Das Repräsentantenhaus, das Unterhaus des Parlaments, stimmte mit großer Mehrheit für ein neues Gesetz, das die Scheidung erlaubt. 134 Abgeordnete waren dafür, 57 dagegen.
Die Scheidungs-Befürworter machen sich große Hoffnung, dass ihr Land dem Rest der Welt jetzt folgt. In der philippinischen Bevölkerung sind nach Umfragen die meisten dafür, Scheidungen zu legalisieren. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie unterstützt mehr als die Hälfte (53 Prozent) den Gesetzentwurf. 32 Prozent sind dagegen.
Allerdings müsste nach dem Repräsentantenhaus auch noch der Senat zustimmen, damit Scheidungen künftig tatsächlich erlaubt sind. Im Oberhaus des Parlaments ist der Widerstand jedoch immer noch erheblich.
Katholische Kirche warnt
Auch, weil die Kirche Druck macht. Die Bischofskonferenz warnt, dass Ehen und Familien künftig schneller zerbrechen. Ihr Vorsitzender, Erzbischof Romulo Valles, meint: "Mit allem nötigen Respekt bitten wir den Gesetzgeber, mehr Raum für durchdachte Debatten zu schaffen." Ansonsten würde das Land einen "hohen sozialen Preis" bezahlen.
Falls nun auch noch der Senat dem neuen Gesetz zustimmt - einen Termin gibt es noch nicht -, käme es letztlich auf den Präsidenten an. Duterte müsste das Ende des Scheidungsverbots mit seiner Unterschrift besiegeln. Als Staatsoberhaupt hat er eine Art Vetorecht - und schon erklärt, dass er eigentlich gegen Scheidungen ist.
Allerdings kennt der 72-Jährige die Schwierigkeiten mit dem Ende einer Ehe aus eigener Erfahrung. Seine eigene ließ er schon vor vielen Jahren annullieren. Duterte hatte dafür das nötige Geld. Viele Landsleute haben es nicht.