Seehofer verletze seine Pflichten als Religions- und Verfassungsminister, wenn er darüber urteile, ob eine Religion zu seinem Land gehöre, schreibt Friedman in einem am Mittwoch veröffentlichten Gastkommentar für die Deutsche Welle.
Stigmatisierung - keine Aufgabe des Bundesinnenministers
"Den Islam an sich zu stigmatisieren, ist nicht Aufgabe eines Bundesinnenministers, der als Religionsminister gleichzeitig verantwortlich dafür ist, dass der Respekt gegenüber allen Religionen von ihm repräsentiert wird." Unbestreitbar könne man den politischen Islam oder den Islamismus kritisieren, schreibt Friedman, der von 2000 bis 2003 stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland war.
"Gerade ein Innenminister, der gleichzeitig auch Verfassungsminister ist, sollte Artikel 4 des Grundgesetzes kennen. In ihm ist die Religionsfreiheit definiert: Jeder Mensch kann glauben, an was er will. Jede Religion ist möglich, jeder Glaube denkbar, solange er nicht gegen das Grundgesetz verstößt." Sich als Politiker anzumaßen, einer Weltreligion ihre Existenz als Bestandteil der religiös-gesellschaftlichen Realität in Deutschland abzusprechen, zeuge von einem sehr zweifelhaften Verständnis von Religionsfreiheit.
Christliches Abendland nicht verharmlosen
Friedman warf Seehofer Vorsatz vor. "Anstatt sich differenziert und verantwortungsvoll in die emotionale Debatte einzubringen, schüttet Horst Seehofer populistisch neues Öl ins alte Feuer", betont er. Der Moderator und Publizist wandte sich auch gegen eine verharmlosende Rede vom christlichen Abendland und das Bild einer christlich-jüdischen Symbiose.
Das christliche Abendland habe sich auch durch Intoleranz, Religionskriege, aggressive Mission und brutalen Antisemitismus ausgezeichnet. Das christlich-jüdische Verhältnis sei häufig abgrenzend, ghettoisierend, blutig und vernichtend gewesen.
Seehofer hatte in seinem ersten Interview nach der Amtsübernahme gesagt: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt." Die hierzulande lebenden Muslime gehörten aber selbstverständlich zu Deutschland.