Helmut Dieser bittet zu Tisch und zum offenen Gepräch

Speed-Dating mit dem Bischof

Kritisches zur Kirche ist am Dienstagabend in Alsdorf bei Aachen zu hören. Ortsbischof Helmut Dieser hat es so gewollt. Unter dem Motto "meet & eat" ist er mit den Eingeladenen in ein Gespräch kommen - in ein offenes und kontroverses.

Helmut Dieser, Bischof von Aachen / © Harald Oppitz (KNA)
Helmut Dieser, Bischof von Aachen / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Stimmung ist festlich: Weiße Tischdecken, Blumendeko und im Hintergrund die Klänge eines Jazz-Duos. Die rund 140 Besucher, die im früheren Fördermaschinenhaus der Zeche Anna in Alsdorf an den 16 Tischen Platz nehmen, sind voller Erwartung.

In dem umgebauten Industriedenkmal erwartet sie zwischen alten Stromumwandlern keine Hochzeitsfeier. Ihr Gastgeber am Dienstagabend ist der Aachener Bischof Helmut Dieser. Er hat zu einer etwas ungewöhnlichen Veranstaltung in der Nähe seiner Bischofsstadt eingeladen.

Lage analysieren

Dieser ist seit etwas mehr als einem Jahr Aachener Bischof. Noch will er keine Weichen für die künftige Seelsorge stellen. Zuvor möchte er in einem dreijährigen Beratungsprozess die Lage analysieren - und dabei von Kirchennahen wie -fernen lernen. So lässt er sich etwa in dem "Heute bei Dir" überschriebenen Dialogprojekt zu Gesprächen am Küchentisch einladen. In Alsdorf steht bereits zum zweiten Mal ein anderes Gesprächsformat an: Eine Art Speed-Dating mit dem Bischof.

Insgesamt acht solcher Treffen soll es in den kommenden Wochen geben. Dabei ist für den Bischof an jedem der Tische ein Stuhl reserviert.

Im Zehn-Minuten-Takt wechselt er von einer Gruppe zu anderen - um sich dann mal anzuhören, was die Menschen vor Ort so bewegt. In Alsdorf bekommt Dieser immer wieder vor allem eine Frage serviert: Wie lässt sich bei den großen Pfarreien noch Kirchennähe erreichen?

In ihrer Gemeinde gebe es nur alle drei Wochen einen Gottesdienst, beklagt etwa eine ältere Frau aus Würselen. "Und da erlebe ich immer weniger Besucher." Und wie soll das erst weitergehen, wenn die Pfarreien noch größer werden?

Dampf ablassen

Die meisten der Gäste sind aktive Kirchenmitglieder und nutzen einmal die Gelegenheit, um mal Dampf abzulassen über ihren Frust im Gemeindealltag. Etwa über den Pfarrer, der das Engagement der Ehrenamtlichen ausbremst. Der Bischof hört aufmerksam zu, mischt sich dann aber auch munter in die Diskussion ein. "Wir brauchen unbedingt das Miteinander von Gläubigen und Klerikern", betont er und misst auch wegen der rückläufigen Zahl der Hauptamtlichen den Laien eine Schlüsselrolle zu. "Kirche ist nicht mehr nur das, was der Pastor mit uns macht."

Nicht am jeden Tisch kommt sofort ein Gespräch in Gang. Da wird über das schöne Ambiente der Festhalle oder der späte Wintereinbruch geredet, bis Dieser beherzt den Small Talk unterbricht: "Und jetzt, worüber reden wir?" Eine junge Frau traut sich vor: Wenn sie sich als Katholikin oute, dann müsse sie sich gleich rechtfertigen - wegen der Missbrauchsfälle oder der Finanzskandale.

Das gehe ihm genauso, signalisiert der Bischof Verständnis, bevor ein völlig anderes Thema aufkommt. Es geht um ein Paar, dem der Pfarrer die Trauung außerhalb einer Kirche verweigerte. Aber schon lassen die Musiker das Signal erklingen, das den Bischof zum Tischwechsel auffordert. "Ehe man mal ins Gespräch kommt, da sind Sie schon wieder weg", muss sich Dieser anhören. Die Zeit ist knapp, aber ausnahmsweise überzieht der Bischof einmal.

Nicht immer auf einem Nenner

Meist geht es in den Runden aber direkt zur Sache. "Die katholische Kirche tut sich sehr schwer mit den Damen", versucht ein 81-jähriger Mann aus Eschweiler den Bischof aus der Reserve zu locken. Eine bisschen mitarbeiten, eine Lesung im Gottesdienst vortragen, "und dann ist Feierabend". Der Bischof ist um keine Antwort verlegen und betont, dass im Christentum Männer und Frauen gleich viel wert sind - was in der Antike revolutionär gewesen sei. Und warum Frauen keine Priesterinnen werden können? Dieser verweist auf die zwölf Apostel, die nun mal Männer waren. "Es fällt mir schwer zu sagen, das war ein Betriebsunfall."

Ob Frauen, Jugendarbeit, Priesterbild - Gastgeber und Gäste kommen nicht immer auf einen Nenner. Der ältere Herr aus Eschweiler ist dennoch mit dem Abend zufrieden. Die Art und Weise, wie der Bischof mit ihm geredet hat, fand er überzeugend. "Das ist eine Grundlage für weitere Diskussionen."


 

Bischof Helmut Dieser / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Helmut Dieser / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA