"Ich finde es genauso unfair, dass Angela Merkel und Christian Wulff mit ihren Mantras, der Islam gehöre zu Deutschland, als die fortschrittlichen und moralisch-toleranten Stimmen dargestellt werden. Ihre Position ist genauso pauschalisierend", sagte Mansour im Interview der "Welt".
Dankbar für angestoßene Diskussion
Der Psychologe zeigte sich dankbar für die von Seehofer angestoßene Diskussion: "Wir brauchen eine ehrliche Debatte um Glaubensinhalte, Strukturen und die Zukunft des Zusammenlebens." Mit einer Übernahme von AfD-Positionen werde es allerdings nicht gelingen, rechte Wähler zurückzugewinnen. "Wer AfD-Wähler zurückgewinnen will, muss die Ängste der Menschen ernst nehmen - und diese nicht populistisch für seine Zwecke nutzen", sagte Mansour. Man müsse die Dinge differenziert betrachten und vor allem Lösungen anbieten.
Terroranschläge in Deutschland und Europa machten vielen Angst. Dazu kämen Muslime, die versuchten, Sonderrechte für ihren Glauben durchzusetzen. "Das sind etwa Lehrerinnen, die ihr Recht einklagen wollen, mit Kopftuch zu unterrichten. Eltern, die ihre Kinder vom Schwimmunterricht entbinden möchten. Moscheen, die zur Bühne für Hassprediger und ausländische Politik werden. Oder Muslime, die Gebetsräume in Schulen und Universitäten fordern." Da entstehe ein Gefühl der Überfremdung, so der Wissenschaftler. Zugleich herrsche eine Unfähigkeit, die Ursachen von Radikalisierung zu benennen.
"Stattdessen hört man immer wieder nur: Das hat nichts mit dem Islam zu tun. Da muss man sich über Ablehnung nicht wundern."
Deutliche Worte an Islamverbände und Moscheevereine
Der Rassismusvorwurf sei ein Totschlagargument, um Debatten zu vermeiden, kritisierte der Autor. "Die deutsche Gesellschaft ist ungeübt in Streitkultur und im Argumentieren geworden." Natürlich gebe es auch rassistische Kritik. Das sei dann der Fall, wenn Menschen pauschal beurteilt würden und Hass geschürt werde. "Aber wir brauchen Differenzierung und keine Tabus aus Angst vor einem Rassismusvorwurf."
Deutliche Worte richtete Mansour auch an Islamverbände und Moscheevereine. In vielen seien "demokratische Positionen in der Minderheit". Da gebe es "Geschlechterapartheid, Sprech- und Denkverbote und Antisemitismus". Menschen würden so dazu gebracht, eine schwarz-weiße Weltsicht anzunehmen. "In dieser sind Muslime immer Opfer und 'der Westen' und die Medien immer Täter oder feindlich gegenüber dem Islam."
Der Experte verwies auf "schweigende" Muslime, die sich nicht nur über ihre Religion definierten. Diese beteten zum Beispiel nicht regelmäßig oder praktizierten ihren Glauben überhaupt nicht. Das seien Menschen, deren Glaube keine politische Dimension habe. "Diese Leute dürfen wir in der Islam-Debatte nicht vergessen. Leider ist aber grade der politische Islam oft erster Ansprechpartner der Politik."