Was sind die theologischen Knackpunkte des Bischofsbriefs?

Eine Frage der "schweren Notlage"

Dissens herrscht in der Deutschen Bischofskonferenz um den Kommunionempfang für nichtkatholische Ehepartner. Mit einem Brief bitten Kardinal Woelki und weitere deutsche Bischöfe im Vatikan um Klärung. Was sagt das Kirchenrecht dazu?

Priester spendet Kommunion / © Sebastian Widmann (KNA)
Priester spendet Kommunion / © Sebastian Widmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am gestrigen Mittwoch wurde bekannt, dass einige Bischöfe, darunter auch der Kölner Kardinal Woelki, einen Brief nach Rom geschickt habe, in welchem sie um Klärung bitten. Zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz legte der Vorsitzende Kardinal Marx einen Entwurfstext vor, nach dem es unter bestimmten Voraussetzungen auch nichtkatholischen Ehepartnern möglich sein soll, die Kommunion zu empfangen. Die Bischöfe um Kardinal Woelki herum haben aber Zweifel, ob der vorgelegte Lösungsentwurf mit dem Glauben und der Einheit der Kirche vereinbar sei. Was genau wurde nun bekannt?

Jan Hendrik Stens (Theologie-Redaktion): Der Kölner Stadtanzeiger veröffentlichte am Mittwoch die Meldung, dass sieben Ortsbischöfe unter Führung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki den Vatikan um Klärung gebeten hätten, ob die Deutsche Bischofskonferenz mit ihrem Vorstoß vielleicht ihre Kompetenzen überschritten hätte. Ebenfalls gestern veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz ein Schreiben ihres Vorsitzenden Kardinal Marx an die Unterzeichner dieses Briefs und setzte dabei alle anderen Mitglieder der Bischofskonferenz in Kenntnis. Kardinal Marx äußert sich darin verwundert über die Zweifel. Aber auch zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass ihn das Vorgehen doch befremdet.

DOMRADIO.DE: Was ist denn nun die theologische Streitfrage?

Stens: Es geht inhaltlich um die Frage, ob und unter welchen Umständen ein nichtkatholischer Ehepartner mit zum Empfang der Heiligen Kommunion gehen darf. Das Kirchenrecht schreibt hierzu, dass dies möglich ist, wenn Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs bzw. der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage dazu drängt (vgl. Can. 844 § 4). Es schreibt aber auch, dass eine Voraussetzung ist, dass der nichtkatholische Ehepartner keinen Spender der eigenen Glaubensgemeinschaft aufsuchen kann. Im Textentwurf der Bischofskonferenz heißt es nun, dass in einer konfessionsverschiedenen Ehe ein "schwerwiegendes geistliches Bedürfnis" entstehen kann. Und auf Grundlage von Can. 844 § 4 sei dann ein Kommunionempfang für einen protestantischen Ehepartner möglich, sofern er den katholischen Eucharistieglauben bejaht.

DOMRADIO.DE: Wenn das im Kirchenrecht so klar niedergeschrieben ist, wo liegen denn dann die Knackpunkte?

Stens: Der Streit geht einmal um die Interpretation der Formulierung "schwere Notlage". Wenn das direkt neben der Formulierung "Todesgefahr" steht, dann kann sich das wohl weniger auf Ehepaare beziehen, die morgens einfach die Entscheidung treffen, ob sie in den evangelischen oder in den katholischen Gottesdienst gehen und beide Kirchen etwa gleich weit weg liegen. Hier könnte also jeder Ehepartner ohne jegliche Probleme einen Spender seiner eigenen Glaubensgemeinschaft aufsuchen. Die andere Frage ist dann die, ob der vorgelegte Lösungsentwurf mit dem Glauben und der Einheit der Kirche vereinbar ist. Kardinal Marx bejaht das und sieht auch durch Papst Franziskus Rückenwind.

DOMRADIO.DE: Jetzt liegt der Brief von Kardinal Woelki und seinen Mitunterzeichnern in Rom. Wie geht es jetzt weiter?

Stens: Der Präsident des Einheitsrats, Kurt Kardinal Koch, hat diesen Brief vom 22. März erhalten. In Kopie ging das Schreiben auch an den Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Ladaria, sowie den Sekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte und den Apostolischen Nuntius. Spannend wird es also jetzt sein, ob es zu einer Antwort kommt und wie diese ausfällt. Denn veröffentlicht ist bislang lediglich die Mitteilung der Abschlusspressekonferenz, dass eine Handreichung geplant ist. Möglicherweise wird Kardinal Koch abwarten, bis diese verfasst und veröffentlicht worden ist und sich dann mit den anderen Dikasterien beraten.

DOMRADIO.DE: Als Außenstehender kann man sich eigentlich nur wundern, warum es in der katholischen Kirche Streit um solche Spitzfindigkeiten gibt. Woran liegt das?

Stens: Es ist immer populär gewesen, solche theologischen Fragen, die die Allgemeinheit kaum nachvollziehen kann, als "Spitzfindigkeit" abzutun. Hier geht es aber um ganz zentrale Fragen. Denn die Eucharistie gilt in der katholischen Kirche als Quelle und Höhepunkt (vgl. Lumen Gentium 11). Und es geht hier nicht nur um das Bekenntnis, was da in Brot und Wein gegenwärtig ist, sondern auch wie das gefeiert wird. Wir feiern Eucharistie immer in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche, mit dem Papst, den Bischöfen etc. Das ist eine ekklesiologische Frage. Also was ist für uns eigentlich Kirche? Das ist mehr als bloß nach vorne gehen und sich ein Stückchen Brot abholen.

DOMRADIO.DE: Und was ist dann so brisant an dem gegenwärtigen Streit?

Stens: Schon während der Beratungen der Bischöfe auf ihrer letzten Vollversammlung drangen Informationen nach außen, dass in dieser Frage ein Konflikt entstanden ist. Eingebungen auch bei uns in der Redaktion haben jedoch dafür gesorgt, dass das Thema bis zur Abschlusspressekonferenz unter Verschluss geblieben ist. Es war also klar, dass dieser Textentwurf möglichst ohne Nebengeräusche im Vorfeld präsentiert werden sollte. Und letztlich hat Kardinal Marx da - zumindest aus säkularer Sicht - einen Mittelweg präsentiert. Denn die Reaktion eines protestantischen Journalisten hat ja gezeigt, dass dieser Entwurf manchen Leuten nicht weit genug geht und eher eine Einladung zur Konversion darstelle.

DOMRADIO.DE: Und welche Rolle spielt da Franziskus?

Stens: Das ist die eigentlich ganz entscheidende Frage. Denn Kardinal Marx beruft sich auf Papst Franziskus, der ja durchaus zu neuen Schritten in der Ökumene ermutigt, ohne jetzt wirklich konkret zu werden. Die hier behandelte Frage zum Kommunionempfang nichtkatholischer Ehepartner wollte Kardinal Marx allerdings - so ist es mir zugetragen worden - zusammen mit dem Vatikan angehen. Nach dieser Zusicherung habe man allerdings nichts mehr von ihm gehört. Und auch gegenüber der Presse sagte Marx ja, dass ein Absegnen der Handreichung durch Rom nicht erforderlich wäre, weil diese ja schon durch das Kirchenrecht gedeckt sei. Am Ende könnte es zu einer Nagelprobe werden, denn wenn die Kurie interveniert und anschließend Papst Franziskus doch pro Bischofskonferenz entscheidet, dürfte der nächste Konflikt in der Kurienreform vorprogrammiert sein.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige (DR)
Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige ( DR )
Quelle:
DR
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