Mehrere katholische Verbände haben die geplante Ausweitung der kassenärztlichen Leistungen in der Schwangerschaftsvorsorge auf den sogenannten Bluttest kritisiert. Zum Start der "Woche für das Leben" am heutigen Samstag erklärten der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) und der Deutsche Caritasverband (DCV), ein solcher Schritt sei als Hinweis darauf zu verstehen, dass "Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft zunehmend nicht mehr erwünscht sind".
Mit dem Bluttest können genetische Defekte ab der 9. Schwangerschaftswoche bestimmt werden, indem Gen-Schnipsel des Embryos aus dem Blut der Mutter gefiltert und auf Defekte untersucht werden. Befürworter argumentieren, das Verfahren erspare andere riskante Untersuchungen wie eine Fruchtwasseranalyse.
"Wenn sich der Wert eines Menschen danach bemisst, ob er nach gängigen Vorstellungen gesund ist, dann führt dies dazu, Menschen in lebenswert und nicht lebenswert einzuteilen. Diese Entwicklung gilt es zu verhindern", betonte Caritas-Präsident Peter Neher. Ansonsten wachse die Gefahr, dass das, was für den ungeborenen Menschen gelte, auch schnell zum Maßstab für jeden Menschen werden könne.
Kirchenvertreter warnen vor Selektion durch vorgeburtliche Diagnostik
Vertreter der beiden großen Kirchen haben die ethischen Aspekte bei vorgeburtlichen Tests bekräftigt. "Pränataldiagnostik ist zuallererst dem Leben verpflichtet", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Samstag in Trier. Zusammen mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, eröffnete er dort mit einem ökumenischen Gottesdienst die bundesweite "Woche für das Leben".
Marx sagte, er könne die Sorgen von Eltern verstehen, deren Kind nicht gesund ist. "Es sind Notlagen, die wir alle sehen und ernst nehmen müssen", betonte der Münchner Erzbischof. "Werdende Mütter und Väter stellen sich auch die Frage: Warum ausgerechnet mein Kind? Auf diese Sorgen gibt es keine einfachen Antworten, aber es gibt ethische Leitlinien und Werte, die Eltern und Ärzten Orientierung geben können, eine dem Leben verpflichtete Entscheidung zu treffen." Die Kirche sei dankbar "für alle Zeugnisse von Eltern, denen das Ja zum Leben ihres Kindes einiges abverlangt und die dennoch versuchen, mutig und zuversichtlich in die Zukunft zu gehen".
Bedford-Strohm warnte davor, "von einem moralischen Hochpodest aus" auf Eltern zu blicken, die ein Kind mit schweren Schäden in der embryonalen Entwicklung erwarten. Die Betroffenen bräuchten einfühlsame Begleitung und Beratung. Bei Fragen der Pränataldiagnostik müsse die "Achtung vor der unverfügbaren Würde menschlichen Lebens" Grundlage und Grenze für Entscheidungen sein.
Paderborner Erzbischof Becker: Behinderte Kinder annehmen
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat zu einer Annahme von behinderten Kindern aufgerufen. "Nicht die Selektion des Kindes, sondern nur eine weitreichende Inklusion der Familien mit behinderten oder kranken Kindern wird eine menschenwürdige Gesellschaft herbeiführen", erklärte er am Freitag in Paderborn.
Es sei wichtig, die Zuwendung zum Leben nicht von Prognosen der Pränataldiagnostik abhängig zu machen, sagte Becker. Diagnosen, die zum Beispiel eine genetische Erkrankung oder Behinderung eines Kindes feststellten, führten häufig zur vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft und damit zur Tötung des ungeborenen Kindes. Die Gesellschaft habe aber eine solidarische Verantwortung für das Leben.
Becker rief dazu auf, an einer lebensbejahenden Gesellschaft mitzuwirken. Der Erzbischof dankte Beratungsinitiativen, die Frauen, Paare und Eltern unterstützen, um ihnen ihr "Ja zum Kind" und eine gemeinsame Zukunft zu ermöglichen.
Das Biblische Bild im Fokus
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, sagte am Freitag in Düsseldorf: "Eine Gesellschaft, die dem biblischen Menschenbild gerecht wird, ist inklusiv, nicht selektiv." Durch neue Analysemethoden gerieten werdende Eltern zunehmend unter Druck, sagte Rekowski. In dieser Situation könnten die kirchlichen Beratungsstellen ihnen wichtige Unterstützung geben.
Auch die Ärztin Katharina Rohmert vom Bundesverband pro familia in Frankfurt am Main hob die Schwierigkeiten hervor, mit denen Pränataldiagnostik verbunden sein kann. Die Tests lieferten "keine Beweise", sagte sie. Bei der "Woche für das Leben", die die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland ausrichten, steht in diesem Jahr die Pränataldiagnostik im Mittelpunkt.
Rekowski sieht Gefahr
Präses Rekowski äußerte Sorgen mit Blick auf eine Selektion: "Wenn Untersuchungen auf bestimmte Krankheiten flächendeckend zum Einsatz kommen, hat das weitreichende Konsequenzen". Er sehe die große Gefahr, dass das Recht auf Leben immer stärker von bestimmten gesellschaftlich normierten Kriterien abhängig gemacht wird, sagte der leitende Geistliche der zweitgrößten evangelischen Landeskirche.
Die Medizinerin Katharina Rohmert ermutigte ebenfalls dazu, das Beratungsangebot für Schwangere stärker zu nutzen, etwa in den Einrichtungen auch von Diakonie und Caritas. Es wäre hilfreich, Paare würden sich bereits informieren, bevor sie die Tests machen, "aber das ist eher die Ausnahme", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Googeln im Internet helfe meist nicht.
Ambivalenten Charakter der vorgeburtliche Diagnostik
Die Medizinerin hob den ambivalenten Charakter der vorgeburtliche Diagnostik hervor: "In den allermeisten Fällen bleibt ein Test ohne Befund, dann ist die Pränataldiagnostik ein Segen", sagte Rohmert.
"Der Fluch fängt da an, wo ein Befund nicht eindeutig ist, erst mal sind es ja Verdachtsbefunde." Die pränataldiagnostischen Tests lieferten zunächst nur Hinweise auf mögliche Schädigungen, "es sind ja keine Beweise". Pro familia zufolge kommen 95 bis 97 Prozent aller Kinder gesund zur Welt.
Die diesjährige "Woche für das Leben" steht unter dem Motto "Kinderwunsch. Wunschkind. Unser Kind!" und dauert bis zum 21. April. Mit der Initiative werben die evangelische und katholische Kirche seit 1994 gemeinsam für die Schutzwürdigkeit des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen. Eröffnet wird die Aktionswoche am 14. April mit einem Gottesdienst im Trierer Dom.