Nahles an Spitze von SPD und Fraktion

Engagiert und kämpferisch

"Frau, gläubig, links" – so überschrieb sie ihre Biografie. Andrea Nahles hat oft betont, wie wichtig ihr der Glaube ist. Nun ist die Katholikin als erste Frau überhaupt an die Spitze der SPD gewählt worden.

Andrea Nahles: "Christsein als Kompass" / © Harald Oppitz (KNA)
Andrea Nahles: "Christsein als Kompass" / © Harald Oppitz ( KNA )

Ein Sonderparteitag wählte die 47-Jährige am Sonntag in Wiesbaden mit einer Zustimmung von 66,35 Prozent zur ersten Frau an der Spitze in der knapp 155-jährigen Parteigeschichte. Die Bundestagsfraktionschefin setzte sich in einer Abstimmung gegen Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange durch.

Realismus ohne Ressentiments als Kompass für SPD

In ihrer Bewerbungsrede zur SPD-Vorsitzenden hat die Fraktionschefin Andrea Nahles im Kampf gegen den Antisemitismus einen "Realismus ohne Ressentiments" gefordert. "Das ist unser Kompass. Deswegen können wir auf den Unsinn mit der Leitkultur locker verzichten", so Nahles. "Frei von Ressentiments zu sein, das markiert auch scharf den Unterschied der SPD zur AfD", die aufwiegele und einen Keil in die Köpfe und Herzen der Menschen treibe.

Zugleich betonte Nahles mit Blick auf Angriffe von Muslimen auf Juden in jüngster Zeit, dass auf die Einhaltung der Regeln gepocht werden müsse. Dies dürfe jedoch nicht zu einer pauschalen Abneigung gegenüber Muslimen führen: "Zum Begriff Heimat - so wie ich ihn verstehe - gehört, dass man sich zu Hause fühlt, sich sicher fühlt, an dem aber auch niemand ausgegrenzt wird."

"Hausfrau oder Bundeskanzlerin"

Als Arbeitsministerin galt Nahles Ministerium  ab 2013 als das fleißigste der Legislaturperiode. Mit viel Pragmatismus und zähem Ringen um Kompromisse setzte Nahles unter anderem die Rente mit 63 Jahren und den Mindestlohn durch. Nach der Übernahme der Fraktionsspitze könnte nun am Sonntag für das "katholische Mädchen vom Lande" - wie sie sich selbst einmal bezeichnete - ein weiteres neues Kapitel in ihrer politischen Karriere beginnen.

Aus der Provinz kommt sie tatsächlich: Nahles wuchs in einem katholischen Elternhaus als Tochter eines Maurermeisters in der Eifel auf. Nach dem Abitur - in der Abiturzeitung gab sie "Hausfrau oder Bundeskanzlerin" als Berufswunsch an - studierte sie Politik, Philosophie und Germanistik in Bonn.

Parallel dazu stieg Nahles in der SPD auf: Als 18-Jährige trat sie in die Partei ein, 1995 wurde sie Bundesvorsitzende der Jusos. Mitglied im SPD-Parteivorstand ist sie seit 1997, dem Präsidium gehört sie seit 2003 an. In den Bundestag kam sie erstmals 1998. Bevor sie Arbeitsministerin wurde, war sie vier Jahre lang SPD-Generalsekretärin.

"Christsein ist Kompass"

Und sie ist katholisch und in ihrem Glauben tief verwurzelt. Bevor vor knapp zehn Jahren ihre Biografie "Frau, gläubig, links" erschien, wussten das nur wenige ihrer Parteigenossen. "Aus meinem Christsein lässt sich mein Kompass für Gerechtigkeitsfragen entwickeln", erklärte sie in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Und weiter: "Im Grunde entstand das linke, das sozialdemokratische Engagement aus meinem Engagement in der katholischen Kirche."

So war Nahles Messdienerin und in einer ökumenischen Jugendgruppe aktiv. Mittlerweile ist sie Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Lange Zeit zog sie sich regelmäßig eine Woche im Jahr ins Kloster zurück. In ihrem Berliner Büro hängt ein Holzkreuz aus der Abtei Maria Laach in der Nähe ihres Heimatdorfs. Ihr Glaube habe sie als Mensch geprägt, "lange bevor" sie in die SPD eingetreten sei, betont sie. Damit "hausieren" gehen wolle sie aber nicht.

Auch Kritik gegen die Kirche

Trotzdem macht sie keinen Hehl daraus, dass im Bundestag bei ethischen Fragen ihr Glaube und das daraus abgeleitete Menschenbild eine wichtige Rolle spielen. So etwa, als der Bundestag über strengere Vorlagen beim Embryonenschutz oder über die Neuregelung der Sterbehilfe abstimmte.

Unkritisch sieht sie ihre Kirche nicht. So bemängelte sie etwa deren Umgang mit Homosexuellen. Auch sei Abtreibung für sie keine Sünde, es müsse allerdings eine gründliche Gewissensentscheidung vorausgehen, so Nahles, die in ihrer Partei als bestens vernetzt gilt.

Als neue Vorsitzende steht sie vor riesigen Herausforderungen. Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr strebt die SPD eine Erneuerung an. Ob dies gelingt, hängt nun maßgeblich von ihr ab. In Umfragen zeigen sich viele skeptisch. In ihrer Bewerbungsrede in Wiesbaden warb sie für mehr Solidarität, für die Schwachen in der Gesellschaft, aber auch in ihrer Partei. Zugleich wird die Katholikin Nahles bei dem Prozess sicher auch Kraft aus ihrem Glauben schöpfen: Er sei ihr "Movens, ihre Triebkraft auch in schwierigen Zeiten".


Quelle:
KNA , dpa